6684867-1962_11_15.jpg
Digital In Arbeit

Der deutsche Chaplin

Werbung
Werbung
Werbung

Am 7. März ist Heinz Rühmann sechzig Jahre alt geworden. 32 Jahre reicht sein Filmwirken zurück, bis zur unvergeßlichen Erich-Pommer-Operette der Ufa, „Die drei von der Tankstelle“. Rühmann ist Filmdeutschlands stabilste und krisenfesteste Potenz. Sein Weg vom Nur-Komiker zum Charakterdarsteller ist ein Stück Filmgeschichte. Seine jüngste Rolle in des neuen Regietalent Imo Moskowiczs Film „Max, der Taschendieb“ läßt diesen Weg deutlich sichtbar werden. Die Wandlung seines kleinen Ganoven „Onkel Max“, einer „Sardine“ inmitten von Haifischen, durch die Familie mag in den Einzelheiten nicht immer logisch und psychologisch hieb- und stichfest sein, im ganzen ist sie von jener bezwingenden tragischen Heiterkeit, die seit eh und je das Kennzeichen des tiefsten Humors ist. Sein bester deutscher Vertreter, Heinz Rühmann, hat Chaplin-Format.

Nach längerer Pause präsentiert Walt Disney bzw. ein Trio seiner Regisseure wieder einen Zeichentrickfilm: „Pongo und P e r d i t a.“ Die Riesenüberraschung ist, wie geistesfrisch und witzejung sich die Gattung erhalten hat. Die Geschichte vom Raub der 15 Dalmatiner Welpen ist voll bezaubernder Einfälle und eine der originellsten Schöpfungen, die je aus der Märchenfabrik von Burbank gekommen sind.

Die Neue Welle, deren alte Tour: hand- werklicher Dilettantismus, geistige Untiefe und Scharlatanerie und moralisches Ra-baukentum, den ehemals so geschätzten französischen Film permanent diskreditiert* hat noch nicht ausgeplätschert. Diesmal; in Truffauts „Jules und Jim“, trägt sie Melancholie, nicht sehr tief, eher im Knopfloch. Die Geschichte von einem liebesgierigen Weibchen zwischen zwei wehrlosen Jungen (den einen heiratet sie, den anderen „liebt“ sie) weitet sich streckenweise vom Dreieck zum Fünfeck und stürzt am Ende abrupt, von dem nun schon sagenhaften „Phallus ex machina* gestoßen, in den Abgrund. Am Ende werden die Knochen im Stößel zerrieben. Für die geistige Haltung des Films und seiner miserablen deutschen Fleißaufgabesynchro-nisierung sind „die“ zwei Witze des Films repräsentativ: „Vater unser, der du frißt in ' dem Himmel“ und „Engel kommen immer um 1 Uhr 20“. Die Darsteller Oskar Werner, Jeanne Moreau und Henri Serre spielen Vogelscheuchen mit empfindsamen Seelchen, der Regisseur kokettiert weiterhin mit seinen trüben Flegeljahren. Er war ehedem ein gar gestrenger Filmkritiker. Gnade Gott einem Film wie „Jules und Jim“, wenn er ihn damals in die Finger gekriegt hätte!

Die Absicht des österreichischen Films „Die vergessenen Jahre“, einem jungen Menschen, der ausreißen will, eine Nachhilfestunde in „Österreich'' zu geben, ist lobenswert. Gleich hier freilich rutscht der Film dramaturgisch aus. Man kann auch jlem phantasiebegabtesten Menschen nicht mit Worten Dinge Vor Augen zaubern, die sich, wie der Film nachher überzeugend dartut, nur in Bildern ausdrücken lassen. Der zweite Vorwurf gilt der Schere des Films, die anscheinend ein. Linkshänder geführt hat. Nichts gegen einen sozialistischen Wahlfilm, alles aber gegen ein trojanisches Pferd mit rotweißrotem Schwanz. Den Staatsvettrag etwa „unter der Präsidentschaft Dr. Körners“ stattfinden zu lassen, ohne Raab und Figl zu nennen heißt so viel, wie wenn wir die Wiener Wohnungsbauten der Ersten“ Republik dem Bundespräsidenten Flainisch zuschreiben wollten. Hier werden die vergessenen zu vergeßlichen Jahren, und der Film, auch sonst recht ungeschickt und hausbacken zusammengestoppelt, wird zu einem Wald- und Wiesenbrunnerfilm, dessen unlautere Absicht einer einseitigen und unstatthaft etikettierten Werbung auch die Sekundenbilder mit Kunschak oder dem „Kleinen Volksblatt“ nicht verbergen können.

„Ein Haus in Kamerun“ ist das, was man einstens einen Ufa-Film genannt hat. Wir werden diese Klassifizierung wohl oder übel noch lange Zeit nach dem nunmehr endgültig vollzogenen Begräbnis der Ufa auf der Zunge haben. In eine deutsche Farmerfamilie in Kamerun schneit ein Mädchen mit Vergangenheit und fischt sich den Stammhalter des Hauses so lange, bis es ihn richtig liebt. Der tödliche Absturz eines Störenfriedes führt zum Happy-End. Gutes Spiel, sauberer Durchschnitt, mit heimlicher Liebe Zum einstigen deutschen Dominion.

- hlmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich) i III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Vergessene Jahre“ — IV (Für Erwachsene): „Eheinstitut Aurora“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Paris Blues“, „Die drei Musketiere“, 2. Teil — IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Julia, du bist zauberhaft.'“, „Razzia auf Call-Girls“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung