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Der Humor macht Weltgeschichte

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Eine der menschheitsgeschichtlichen Aufgaben des Humors scheint es zu sein, überall dort rettend .einzugreifen, Wo der'.tierische Ernst der Menschen versagt hat. Er ist die letzte Karte im Grand Jeu, wenn die Könige und Asse umgefallen sind — daher auch das doppelte Gewicht, der erlösende Emst hinter jedem echten Humor. Dehn er hat alles Verzweifelte und Ausweglose, das die anderen noch lähmt, auch durchlitten, aber am. Ende abgeworfen, durch einen letzten höchsten, menschlich gerade noch möglichen schöpferischen Akt, durch Akrobatik, wenn man will, durch einen Purzelbaum — daher das Un- rationale, Unlogische, Unfaßbare jedes echten Humors. Dies bedingt zugleich, daß die .Lösungen" des Humors im realen Ablauf der Dinge nicht sofort, noch nicht anwendbar sind. Sie sind nur ein Lichtblitz im Dunkel, lange ehe es richtig Tag wird auf der Erde ...

So und nicht anders, nicht als Generalgebrauchsanwendung für eine sofort und überall gültige Lösung mögen wohl Christen und Kommunisten, die Objekte des wahrhaft weltbewegenden Humors von der Art des Simplicius Simplicissimus in dem Film nach Guareschi .Don Camillo und Pep-

poną' seta weise Lehr : durch Güte und persönlichste Aktion über alle möglicher- weise bleibenden Gegensätze hinweg menschlich zusammenzufinden, aufnehmen. Es mag dabei beiden Partnern fürs erste einmal kein gelinder Schreck in die Knochen fahren. Uns, wenn Don Camillo mit seinem Herrgott am Kreuze wie mit seinesgleichen plaudert, hadert und feilscht (die Grenze in dem Belange ist wohl mit Don Camillos Warnruf an den Crucifixes: .Halt dich fest, gleich schlag ich zu damit', erreicht, wenn nicht schon überschritten...), wenn er heilige und andere Handlungen grundsätzlich nur mit aufgekrempelten Hemdärmeln, bisweilen auch noch mit der alten Partisanenkrache in der Hand absolviert; und den Kommunisten mag die eigenartige Mischung ihres Bürgermeisters Peppone von .Blutsäufer und butterweichem Herzen, der sich bekreuzt, sein Kind gewaltsam taufen läßt und dem Bischof die Hand küßt, auch nicht eben Musik in den Ohren sein...

Aber bei näherem Zusehen entpuppen sich die meisten — nicht alle — Ingredienzien des stark national, ja . lokal gefärbten Guareschi- schen Humors (der von dem Franzosen Julien t Duvivier mit den beiden Hauptdarstellern Fernandel und Gino Cervi schlechthin vollkommen wiedergegeben wurde) als nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig. Denn nur dieser Humor entfesselt sich souverän aller Bindungen, Rücksichten, Wenn und Aber, die den Durchbruch verbauen, Er ist der Licht- Blick, der Licht-Blitz auch in einer Nacht, in der viele nicht mehr auf ein Morgengrauen zu hoffen wagen.

Tief in den groben Schwank abgerutscht sind die reizenden und sehr talentierten zwiefachen Lottchen des Kästner-Films in dem österreichischen Lustspiel „Die Wirtin von Maria-Wörth'. Was für tüchtige Kamera-, Musik- und Darstellerleistung steht da einer wahrhaft niederschmetternden Geistigkeit der Story gegenüber, für die gleich zwei Jdeenlieferanten und zwei Drehbuchautoren zeichnen. Weniger hätte einem einzigen auch nicht einfallen dürfen. —- Das deutsche Militärlustspiel ,L i e b e s m a n ö- v e r' erniedrigt gleichzeitig die deutsche und die alte österreichische Armee. Es tarnt sich mit der Umwelt von 1912, und das ist Feigheit vor dem Feind, denn es meint die — nach 1952... Vor Tische, im Berta-Suttner- Film, der aus der gleichen nationalen Filmzone kommt, las man’s anders! — Einen beachtenswerten Versuch, es in Europa Walt Disney gleich zu tun, stellt der italienische Märchen-Zeichentrickfilm „Die Rose von Bagdad“ dar. Es fehlt ihm fast nichts mehr an der technischen Fertigkeit, aber die schöpferische Einheit Walt Disneys. Die- aber kann man nicht züchten und großziehen; denn sie fällt vom Himmel. — Der einzige ernstzunehmende ernste Film dieser Woche ist „Der Haß macht blind’, Amerikas Ressentiment'Nr. 1, der Fäfbigenkonflikt. Der Film ist’schärfer' und gegenständlicher, aber nicht von der geistigen Geschlossenheit seines großen Vorgängers „Eintritt verboten!“.

Filmschau (Gutachten der Katholischeri Filmkommission für Österreich, Nr. 50/11 vom 10. Dezember 1952): I (zu empfehlen für alle): „Die Heilige von Fatima“; II (für alle zulässig) : „Don Camillo und Peppone“, „Die Rose von Bagdad": IV (für Erwachsene): „Drei Fremdenlegionäre“, „Auf dem Kriegspfad’, „Der Haß ist blind“; IVa (für Erwachsene mit Vorbehalt): „Sein großer Sieg“, „Die Wirtin von Maria-Wörth“; IV b (für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Liebesmanöver''. Richtigstellung: V (abzuraten, nicht, wie die letzte „Furche" irrtümlich berichtete: IVa): „Der Heiratsschwindler von Paris."

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