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Heilung der Filmfamilie

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Selten nur wagt es der Film, Ehe, Familie, Mutter- und Vaterschaft offen zu verhöhnen; ungeheuerlich aber ist die Wirkung, die jahrzehntelang vom süßscharfen Gift seiner Junggesellen- und Ehebrecherverherrlichung verspritzt worden ist. Dies hat sich nun in den letzten Jahren geändert. Es scheint, daß die Schöpfer des „flotten Stiles" selber das Grausen gepackt hat — angesichts der furchtbaren Niederbrüche, die ringsum und aus Statistiken um die ganze Welt herum mit Händen zu greifen sind.

Vielleicht betrifft dieses Problem Amerika gar nicht so sehr wie uns hier, aber die Registrierapparate von Hollywood sind überempfindlich. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, daß gerade dort in der Nachkriegszeit in Stoff und Darstellertypen (Spencer Tracy!) ein richtiger Familienstil ausgeprägt worden ist, der neben der englischen politischen Satire und dem französischen religiösen Film zu den wenigen wertvollen Filmschöpfungen seit 1945 zählt.

Schadet es dabei, daß dabei das Thema nur selten mit voller Wucht und ganzem Ernst, häufiger mit souveräner Heiterkeit angepackt wird? Nein. Es gibt Situationen im opfervollen Leben der Familie, die überhaupt nur mit Humor gebändigt werden können. „Vater werden ist nicht schwer” ist nun freilich eine herzlich schwache Uebersetzung für Titel und Gehalt der köstlichen amerikanischen Komödie „Room for one more“. Denn in der Geschiche dieses liebenswerten Ehepaares, das sich zu den drei eigenen noch zwei überaus schwierige Adoptivkinder zulegt, steckt viel, viel mehr als jener berühmte deutsche Witz mit dem Holzhammer, der schon einmal einem Film diesen Titel gegeben hat. Der Dialog ist ein Feuerwerk an Mutterwitz (Höhepunkt: die Bitte des Herrn Gemahls an seine ihm im Trubel der Kinderbetreuung ganz entrückte Frau, ihm doch wenigstens ab und zu zu schreiben !), die Balance von Heiterkeit und Sentiment jederzeit sicher und das Spiel der Darsteller (Cary Grant und Betsy Drake) von jener unheroischen Gelassenheit und Unauffälligkeit, die auch in der Wirklichkeit die stillen „Helden" der Familie auszuzeichnen pflegt.

Das Problem des Adoptivkindes, das anscheinend in Amerika doch eine größere Rolle spielt als bei uns, taucht noch einmal am Rande eines sonst nicht eben hohe Wogen schlagenden amerikanischen Lustspiels auf, das einen gleich unzutreffenden deutschen Titel führt: „Die rebellische Brau t." Es ist freilich hier nahezu verschluckt von der Bekehrung eines „flotten Sünders", behält aber durch das großartige Spiel des kleinen sommersprossigen und zahnluckigen Butch Jenkins noch Kontur und Farbe.

Wie man s nicht machen soll, exerziert er schütternd der französisch-italienische Film „D a s Fleisch ist schwach" vor. Das vom Film bis zum Ueberdruß banalisierte Motiv von dem berühmten Chirurgen, dessen Ehe und Vaterlieb an einem unverständlichen Abenteuer zu scheitern droht, wird hier mit einer unerträglich banalen Leere abgehaspelt. Die Unhomogenität des Schauspielerpaares (Jean Gabins vornehme Charakterprofilierungskunst und Silvana Pampanini protzig und breit ausgeladene Sexualität) gibt dem Film den Rest. Gegen die verärgerte Publikumsreaktion bei der Wiener Premiere opponierte eine ältere Dame mit der Anschuldigung: Die Gegenkundgebungen seien „von der Konkurrenz organisiert“. „Wir sind anscheinend alle von der Konkurrenz", antwortete der Kritiker schlicht.

Unglückliche Ausflüge in ältere Zeiten stellen die beiden Filme „Die große Leidenschaft" und „N ero — der Untergang Rom s" dar; im letzteren ertrinkt eine diskutable Nero-Studie Gino Cervis in einer Schlammflut von historischen und erotischen Gemeinplätzen.

Eine Enttäuschung bereitete uns diese Woche die Austria- W.o chenschau mit den Bildern von der großen Naturkatastrophe an der Donau. Sie sind nicht nur im Umfang mehr als bescheiden, sondern auch talentlos, lieblos. Wurde die ganze Kraft auf den Sonderdienst für di Nonstopkinos geworfen? Das wäre weit gefehlt.

Bei solchen Großereignissen hat in erster Linie der Normalkonsument der Wochenschau ein Recht auf die beste Leistung. Auch sind auf die Dauer nicht die „Sonderdienste", sondern die normalen Ausgaben der einzig mögliche Maßstab für den Rang einer Wochenschau. „Dort" ist nicht viel zu gewinnen, „hier" aber alles zu verlieren!

Filmschau (Gutachten der Katholischen Film- kommission für Oesterreich), Nr. 27 28 vom 15. Juli 1954: II (Für alle zulässig): „Die Bezwingung des Everest." — II (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Bomba, der Herr der Elefanten", „Vater werden ist nicht schwer", „Tarzan und das Sklavenmädchen", „Bis fünf nach zwölf", „Der Hauptmann von Köpenick", „Quax, der Bruchpilot".— IV (Für Erwachsene): „Morgen ist ein anderer Tag", „Der Mann im Dünkel". — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Anna, die Magd", „Anita Garibaldi", j.HöchzeitSglocken", „Dein Mund verspricht mir Liebe." IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Das Fleisch ist schwach", „Liebe und Trompetenblasen.’’ — V (Abzuraten): „Hanna Amon.“ — VI (Abzulehnen): „Zur Liebe verdammt."

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