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In Dur und Moll

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Es ist Anlaß, den österreichischen Kulturfilm zu loben. Was uns der heimische Spielfilm derzeit schuldig bleibt, gibt uns der kleinere Bruder, das Stiefkind der Finanzierung und der Publikumsgunst, nicht der Filmkultur, in reichem Maße. Helmut Pfandler, Buchautor, Regisseur und (mit Hanns Matula und Augusto Carniel) Kameramann des Films „Ö sterreich in Dur und Moll“, hat filmen auf der Akademie gelernt, das heißt, das, was man daran lernen kann; wahrscheinlich muß man das, was den heimlichen Glanz dieses Films ausmacht, schon vorher haben: Instinkt, Rhythmus, Delikatesse und Gespür für das Unaussprechliche, aber doch mit dem Bild und Ton Mit- .schwingende, österreichische Musikerbiographien, österreichische Landschaft, ja auch die schmerzliche Harmonie von Tragik und Heiterkeit haben wir schon gehabt. Alles zusammen wie hier aber hat noch selten ein Film so hellwach erfaßt und, was nicht dasselbe ist, ausdrücken, andeuten können. Wenn wir ihn richtig verstanden haben, hat dieser Film auch die Verschmelzung des Genius Wiens mit den ländlichen und soziologischen Rändern der ansaugenden und wieder zurückstrahlenden Metropole zu dem, was wir den österreichischen Geist nennen, erfaßt: in Haydn mit Niederösterreich und dem Burgenland, in Mozart mit Salzburg, in Beethoven und Schubert, sehr verschieden, mit der Vorstadt und dem Wienerwald, in Bruckner mit Oberösterreich. Verständnisvoll ist auch die von Bert Rudolf besorgte, klug gewählte und makellos wiedergegebene Tonkulisse der Idee gefolgt. Die bühnengewandten Sprecher reden nicht, sondern sagen etwas, manchmal musizieren sie heimlich mit. Das gibt einen guten Klang in Dur und Moll, und einen außergewöhnlichen österreichischen Film. Bei der Presseaufführung gab es Sonderappplaus. Ich glaube und hoffe, daß mit dem Namen Helmut Pfandler ein neuer Ton in den österreichischen Film gekommen ist.

Frei, sehr frei nach dem trockenen, nicht jedermann zugänglichen schottischen Humor eines der frühesten Priesterromane Bruce Marshalls hat Bernhard Wicky „Das Wunder des Malachias“ in eine bittere deutsche wirtschaftswunderliche Satire umgetauft. Geblieben ist die Grundidee, der christliche Realismus im siegreichen Kampfe mit der wunderentleerten, genußgierigen Welt von heute. Die sozialkritischen Lichter sind scharf, überscharf und überlang gesetzt und nicht frei von Schablonen (Barpuppen, Reklamebonzen). Trotzdem: ein beachtlicher Film mit unbekannten Darstellern und ausgeprägter Handschrift.

Franęoise Sagans „Lieben Sie Brahms?“, Thema: Tristesse mit Variationen, Episode der Vierzigjährigen,

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die1 aus den Armen des älteren, untreuen Geliebten vorübergehend in die Arme des Fünfundzwanzigjähngen taumelt und dann wieder in die hoffnungslose Melancholie der ersten Bindung zurücksinkt, haben merkwürdigerweise nicht die Franzosen, sondern die Amerikaner, allerdings mit Anatole Litvak als Regisseur, verfilmt; durch die Bombenbesetzung (Ingrid Bergman, Anthony Perkins und Yves Montand) wird aus der Halbseide des Originals fast Seide. Die Verselbständlichung freier Liebesverhältnisse erfordert Vorbehalte.

J. Lee Thompsons „Die Kanonen von Navarone“, einem Bestseller nachgedreht, sind mit der „Brücke am Kwai“ verglichen worden. Das stimmt und stimmt nicht. Es stimmt, weil es sich auch hier nicht um Faust III, sondern um einen Kriegsthriller handelt, die Sprengung zweier deutscher Riesengeschütze in einer Schlüsselstellung der Ägäis durch ein englisches Himmelfahrtskommando. Hier wie dort atemlose Spannung, verschwenderischer Aufwand (seit „Berge in Flammen“ flog kein Berggipfel so wunderschön in die Luft) und einfach hinreißendes Spiel, hier vor allem David Nivens, aber auch Gregory Pecks und Anthony Quinns. Es stimmt aber auch wieder nicht, weil das Reißerische der „Kanonen“ das Problematische überbrüllt (hohle Phrasen fast wie im deutschen Film über Recht und Pflicht, zu töten), vor allem aber, weil das Atmosphärische, das gewisse Etwas fehlt, das die „Brücke am Kwai“ bis zum Marschpfeiflied (Bruder des „Dritte-Mann“-Zither- Iiedes) ausgezeichnet hat. Trotzdem: ein respektabler Film.

Was man von einem neuen -österreichischen Heimatfilm mit Kanadakulissen, „Ruf der W i 1 d g ä n s e", nicht sagen kann. An der tadellosen Kamera und den Darstellern (Baiser, Hatheyer, Homey) lag es nicht. Regie aber sollte man erst nach der Gesellenprüfung führen.

Wie man es macht, hätte man dem amerikanischen Familien- und Heimatfilm „Der endlose Horizont“, einem sauberen und seriösen, trotz aller Breite fesselnden Film, abspicken können. Aber wir vergeuden und verspielen unsere Potenzen. Oder exportieren sie. Und jammern dann.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich) II a (Für alle; für Kinder gewisse Vorbehalte): „Der endlose Horizont“ — IV (Für Erwachsene): „Das Wunder des Malachias“ — IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Die Nackte in des Satans Hand“ — V (Abzuraten): „In Freiheit dressiert", „Der Fluch von Siniestro — VI (Abzulehnen): „Insel der Versuchung". — = sehenswert.

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