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Unter den Dächern von Napoli

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„Napoli M i 1 i o n a r i a“ („Millionenstadt Neapel“) — das muß so eine Art modernes „Drei- mäderlhaus" oder „Oklahoma“ "gewesen sein, eine Bühnenrevue, die ihr Schöpfer, der Volksschriftsteller und Komiker Eduardo di Filippo, natürlich auch einmal als Film herausbringen mußte. Er hat das sozusagen mit der linken Hand getan — ob bewußt stilistisch schlampig oder auch da und dort ehrlich dilettantisch, ist nicht recht klar. Ohne Zweifel ist das dem Film gut bekommen, er wirkt leicht, locker, wie eine Handskizze zu einem Gemälde, das schon vor und nach Filippo andere „gemalt“ haben. Eine beiläufig hingetupfte Story erzählt vom wunderlichen Volk dieser wunderlichen Stadt, seiner fast ein wenig peinlichen Resistance gegen Hygiene . und Ordnungswut des Faschismus, ferner wie es mit dem Krieg und der Besatzung — und schließlich wie es mk dem -Frieden fertig wird (das letztere anscheinend am schwersten). Lustige, traurige, sentimentale Lichter tanzet! auf und ab — Eduardo di Filippo und Toto, der unverwüstliche mit den hundert Gesichtern, erfüllen sie mit sympathischer Menschlichkeit. Kein großer Film, aber einer mit viel Liebe zum Kleinen. Ein „Unter-den-pächern“-FiIm, wie ihn nur die Franzosen und Italiener hinkriegen.

Der erste „Rosemarie“-Film Rudolf .Thieles hatte Freunde, auch dort, wo sie nicht von vornherein zu suchen waren. Es schien durch ihn so etwas wie eine soziale Resistance durch — gegen die Sumpfblüten deutscher Prosperity, von denen die Frankfurter motorisierte Prostituierte Rosemarie Nitribitt ein Modellfall war. Die beiden Epigonen, „Die Wahrheit über Rosemarie“ und „Die kleinen N i t r i b i 11 s", werden höchstens ein gewisses Publi- kum, aber keine Freunde haben — allerdings auch keine Feinde, denn sie tun niemandem weh. Der Käutner-Schüler Rudolf Jugert, Spielführer des erstgenannten, hat samt den Buchautoren sicherlich fleißig in den Prozeßakten geschmökert, offensichtlich aber nicht, um die Wahrheit und nichts als die Wahrheit daraus zu erfahren, sondern lediglich, um in diesen Akten Akte, Halbakte und Strip-Teąfe-Positionen aufzustöbern, die die Kamera nunmehr mit genieße rischer Unanständigkeit ausbreitet. Die sozial- und kulturkritische Dimension, die der zweitgenannte Film „Die kleinen Nitribitts“ (drei Episoden) wenigstens noch vorgibt oder als Etikette führt, ist bei Jugert gänzlich fallengelassen; er ist ohne Zweifel für das sexuelle Pöbelamüsement gemacht. Beide zusammen aber scheinen eher einer Entlastungsoffensive ah- gepatzter Bonzokratie als der sozialen Kritik dienlich zu sein.

Einem modernen Tiefenpsychologen muß der japanische Film „Das Grauen schleicht durch Tokio" ein interessantes Versuchsfeld sein — für Angstneurosen unserer Tage und ihre verzweifelten Ausbrüche in sexual-gruselige Exhibitionen. Das normale Publikum empfindet nur das Kindische daran und macht sich in Lachsalven Luft.

Ein durchaus ernst zu nehmendes Thema, den Dokumentenschwindel eines Kriegsheimkehrers aus Besessenheit zum Arztberuf, hat der deutsche Film „Arzt aus Leidenschaft" leidlich sauber und spannend, aber doch mit deutlichem Hang zur vordergründigen Karbolmäuschehattraktion abgedreht. Es wird gut gespielt.

Heiterkeit und Musik in mäßigen Dosen bieten der Metro-Film „Blaue Nächte“ und der deutsche Film „Alle Tage ist kein Sonn- t a g“, der letztere als Draufgabe auch noch den Donkosakenchor, dessen Stimmen und Phrasierung ohne Makel sind — über die deutschsprachige Wieder-" gäbe des Heiderösleins in solcher Ost-West-Kollaboration läßt sich streiten. Roman Herle

F i 1 m s c h a u (Gutachten der. Katholischen Filmkommission für Oesterreich), Nr. 35 vom 29. August 1959; III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Alle lieben Peter“, „Attacke am Rio Morte", „Sheriff wider Willen“. — IV (Für Erwachsene): „Feuerschutz für Stoßtrupp Berta“,; „Iwan der Schreckliche, II. Teil“ , „Menschen im Netz“, „Die Mörder kommen nachts“. — IV b (Für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Die Teufelin“, „Und das am Montagmorgen". — V (Abzuraten): „Die kleinen Nitribitts." Bemerkenswerte Filme.

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