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Scherz, Ironie und Temperament

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Die Stirn bedeutungsvoll zu runzeln, ist leichter und wirkt „interessanter“, als mit einem Lächeln und einem verstehenden Achselzucken kluge Worte und amüsante Kommentare zu unseren diversen Problemen und Problemchen zu sagen. Konkret gesprochen: Wie viele herzlich-fade, bitter-ernste „Zeitstücke“ nach bewährtem Schema, wie viel billiges Kleintheaterfutter, wieviel dramatisierte Twen-Philosöphie und grasgrüner „Zorn“ kommt auf eine wirklich gute Komödie? Da kommt zum Beispiel ein italienischer Autor namens Aldo N i c o 1 a j und meditiert: „Der Mann ist eine Zwiebel. Man blättert einen Herrn ab, wie man eine Zwiebel «ehält. Schalen, nur Schalen, die einem die Tränen in die Augen treiben. Was hüllen sie ein? Nichts I“

Das- klingt fast nestroyisch und stammt aus Aldo Nicolais Komödie „Die Z w i e-b e 1“, die momentan im Kleinen Theater der Josefstadt läuft. Man kann, wie hier demonstriert wird, das Problem der Kontaktarmut auch von der ironischen Seite betrachten: Ein Mann in den besten Jahren und guten Verhältnissen erzählt dem Publikum im Konversationston, er werde Selbstmord begehen — obgleich er doch eigentlich nicht zu klagen hätte, es ist doch alles, alles in „schönster Ordnung“: die Gattin, die Kinder, der Freund, die Geliebte, sie alle nehmen seine Güte und seine materielle Hilfe als etwas Selbstverständliches, doch keiner von ihnen leistet sich den Luxus einer echten menschlichen Beziehung zu dem guten Renato. Vater, unser strapazfähigstes Stück. Schließlich bleibt er doch am Leben, denn, wir glauben es ihm gerne, seine Selbstmordpläne waren nur ein Kokettieren mit der äußersten Möglichkeit.

Friedrich Kallina hatte für seine Inszenierung die flotte, wohlgelungene deutsche Übersetzung von Hans W t i g e 1 zur Verfügung, und er besetzte die Rolle des vielenttäuschten Renato mit einem Darsteller wie Hans Holt. Holts schauspielerische Stärke, der stille, behutsame

Charme eines gereiften, innerlich sauberen lieben Kerls kommt hier voll zur Geltung. Er trägt das Stück als Hauptfigur und gleichzeitig als witziger Kommentator des Geschehens. Der Gestaltenreigen um ihn herum ist echt josefstädterisch: Eva Kerbler, Grete Zimmer, Peter Gerhard, Albert Rueprecht, Renate Berg und Helli Servi. Nikolaus Paryla als professoral-versponnener Sohn hatte verdienten Sonderapplaus. Es gab überhaupt sehr viel Beifall. Man unterhielt sich — nun, eben josef Städterischl

Italienisch gab man sich auch im Stammhaus. Im Theater in der J o s e f s ta d t gastierte Eduardo de F i-1 i p p o mit seiner neapolitanischen Truppe und brachte ein eigenes Stück zur Aufführung: „Qu esti Fantasmil“. Signor de Filippo ist ein theatralisches Allroundgenie: Autor vielgespielter Komödien mit wohldosierten PirandelliSmes- Prinzipal, Regisseur und Hauptdarsteller. „Questi Fantasmil“, was man mit „O diese Geisterl“ übersetzen muß, ist ein volkstümliches Lustspiel mit Dialogen im verschliffenen, singenden neapolitanischen Dialekt. Es handelt von dem harmlosen Alltagsmenschen Pasquale, der in einem alten Palais eine Pension einrichtes- will, aber von einem Gespenst bedrängt wird, das in Wirklichkeit niemand anderer ist als der Liebhaber seiner jungen Frau. Blendend Eduardo de Filippo selbst in der Rolle des naiven Pasquale. Ein Stück von wirkungsvoller Situationskomik, mit süditalienischem Temperament gespielt.

Ein Gastspiel fand auch im Wiener Studententheater in der Biberstraße statt. Das „Studio 6 2“, eine Gruppe junger Laien, brachte unter der Regie von Veit Wilhelm Jerger O'Neills Tragödie „Trauer muß Elektra tragen“. Es wurde sehr viel geschrien. Im übrigen haben größere und reifere Regisseure auch schon arg danebengegriffen.

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