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Leichtfubiger Shakespeare und beflugelter Nestroy

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Nach der Periode der Königsdramen und vor seinen Tragödien schrieb Shakespeare in seiner etwa vier Jahre dauernden „heiteren Zeit“ neben den großen, unsterblichen Komödien auch das Lustspiel „Ende gut, alles gut“. Ein bezauberndes, leichtfüßiges und humorvolles Stückchen, das aber auf den Bühnen nie richtig heimisch geworden ist; weniger seiner Harmlosigkeit wegen als wohl deshalb, weil es von der dramatischen und satirischen Starke seiner berühmten Schwestern erdrückt, „an die Wand gespielt“ wurde. Eine nette, ainbitionierte, wenn auch zuwenig profilierte Inszenierung des Stückes (Norbert Kammil) im Theater „Die Tribüne“ hätte gerade wegen seines Seltenheitswertes zu einem erfreulichen Erfolg führen können, wenn die Aufführung nicht durch die Neuübertragung von Richard Flatter sehr in Mitleidenschaft gezogen worden wäre. Noch mehr als in vielen seiner anderen Uebersetzungen Shakespeares (die von der prinzipiell akzeptablen Erwägung ausgingen, daß vieles an der Schlegel-Tieckschen Fassung im Sinne unserer heutigen, gewandelten Sprache geglättet gehört — wobei die Feststellung, daß Schlegel für die Bühne nicht mehr tragbar ist, als unsinnig verworfen werden muß) zeigt sich hier, daß eine Fülle von sprachlichen Banalitäten und Unebenheiten des neuen Textes das Bemühen Flatters entwerten. Die Schauspieler hingegen zeigten befriedigende Leistungen: Lia Ander gelang es diesmal in der weiblichen Hauptrolle (einer verschmähten Gattin, der es unter vielen Mühen und List schließlich gelingt, ihren Mann von ihrem Wert zu überzeugen), ohne ihre sonst übliche Eintönigkeit, der Rolle sehr gut gerecht zu werden; Grete Bukowicz zeigte eine lebhaftroutinierte Heldenmutter, und Alfred Böhms stiller Humor und Jaromir Boreks kräftige Groteske verursachten viel Heiterkeit. Unterstützend: Walter Simmerl, Erich Padalewsky, Herbert Kersten, Johannes Ferigo, Rosemarie Strahal und andere. Sehr gut geschmackvoll und geschickt das einfache Bühnenbild Claus Packs.

Einen erfreulichen und begrüßenswerten Beitrag zu der von den Kleinbühnen forcierten „Nestroy-Renaissance“ brachte das Theater am Parkring mit der Posse „E i s e n b a h n h e i r a t e n“. Nestroy offenbart sich in dem Stück weniger als boshafter, denn als liebenswürdiger Spötter, sein Wortwitz dient in erster Linie der Unterhaltung, die Pointen beziehen sich fast ausschließlich auf die köstlichen Verwicklungen der im Zeichen der „rasenden“ Geschwindigkeit der neuen Eisenbahnzeit zueinanderdrängenden Pärchen. Und doch schuf er in dieser „harmlosen“ Posse ein erstaunlich treffendes Bild einer Welt, die im Begriffe ist, enger zu werden, oder besser: die Problematik aller dieser kleinen Welten Wiens, Brünns und Neustadts, die durch die .Teufelsbahn“ plötzlich so nahegerückt sind. Vergnüglich und anheimelnd das Biedermeier-„Millhöh“, woran die flotte und von allen guten Geistern der Posse beflügelte Regie W o 1 f g a n g Glücks entscheidend beteiligt war. — Als Zentral-fijur der prächtige Allerweltskerl und Porträt- und Zimmermaler Patzmann, dessen sehr begabter Gestalter Peter Ertelt es zu einer vortrefflichen Nestroy-Figur bringen kann. Um ihn herum bunt und amüsant: Josef Menschik, Martin Costa, Hedwig Trottmann, Erika Michl, Karl Augustin, Martin Obernigg, Gerhart Wilhelm und andere. Bühnenbild: Wolf gang Moser. Musik: Erich Waglechner.

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