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Schiller-Feier im Volkstheater

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Es ist wirklich eine Festvorstellung, eine würdige Feier des zweihundertsten Geburtstages Friedrich Schillers und in Erinnerung des siebzigjährigen Bestandes des Volkstheaters: „D i e Räuber“, inszeniert von Gustav M a n k e r, der auch für das Bühnenbild zeichnet. Wenn da, zur Eröffnung des Schauspiels, der junge Schiller vor die Bühne tritt, und, verhaltenes, kühles Feuer, sich zur Schaubühne als moralische Anstalt bekennt, wird das Klima dieser Aufführung bereits eindrucksvoll beschworen. Nichts von „weicher“, sentimentalischer Art, von jener etwas kleinbürgerlichen Schillerei, die allerdings so manchen Schiller ungenießbar macht. Hier sind die Worte und Gestalten Schillers, vorab Karl und Franz Mohr, durch die Schule unserer Zeit und durch eine Zuchtanstalt gegangen, die an Brecht denken läßt. Moral ist hier Härte, Selbstüberwindung, Klarwerden des Kopfes, Reinigung des Herzens. Interessant zu beobachten, wie ein sehr moderner Kunstverstand und eine gewisse Intellektualität, die sich bei den helleren Köpfen unserer Jugend nicht selten findet, vorzüglich eignen, den Wein Schillers in neue Becher zu gießen. Walter Kohut als Franz und Aladar K u n r a d als Karl beherrschen in jeder Weise die Szene. Die „Canaille" Franz wird von dem hochbegabten Kohut als ein junger Intellektueller vorgestellt, der mit sich und seinen Mitmenschen experimentiert und dann neurotisch zerbricht. Wobei allerdings der Franz des Komplotts, des Experiments des Bösen, und der sich in Todesangst krümmende Selbstmörder nicht ganz zu einer Gestalt zusammenfinden.

Dieser Franz ist aber eine Figur, an der es sich zu arbeiten lohnt. Aladar Kunrad ist ganz der edle Jüngling, der sich auch in der Verirrung seines Lebens des besseren Weges wohlbewußt ist. Die beiden schwierigen und undankbaren Rollen der Amalie und des alten Vaters Mohr werden von Traute W a ß- I e r und Egon Jordan erfreulich individualisiert, mit Leben erfüllt. Die Blässe der Amalie, Schillers Unfähigkeit, ein reiches, komplexes Frauenleben zu gestalten, besser: sein fehlendes Interesse für diese Nebenfiguren seiner Tragödien des Mannes, wird hier von Traute Waßler mit einer differenzierten Skala von Zwischentönen bereichert. Erfreulich farbig gelingen auch die Räubergestalten, wobei Ernst Meister als der quicklebendige Schatten des Bösen über die Bühne springt. Eine sorgfältig gearbeitete Studie liefert Hans Frank als Pastor. — Die harte Dualität Schillers, der Kant so näh wie Goethe ihm fern steht, wird in dieser schönen Aufführung einprägsam sichtbar. Nicht nur Schüler und berufliche Schiller-Vetehrer sollten sie besuchen.

Nie ist das Burgtheater so liebenswert, wie bei jenen Aufführungen, die, in der Art einer Familienfeier, verdiente alte Mitglieder des Hauses ehren. Dieses Mal galt es Ferdinand Maierhofer, der vor vierzig Jahren als Nachfolger Girardis an die Burg berufen wurde. Zu seinem Jubiläum spielt man nun Nestroys Posse „Einen Jux will er sich machen“, wobei Maierhofer in seiner Lieblingsrolle als Hausknecht Melchior allerliebst. zu sehen und zu hören ist. In der Pause dankte der Jubilar sichtlich ergriffen dem Publikum und dafür, daß er in den langen letzten Jahren doch noch, in „kleinen und kleinsten Rollen“ sein Bestes geben durfte. Die Jubilįjumsauffūhrung sprengte in manchen Exzessen und Extempores etwas den Rahmen, aber Nestroy gedieh, alles in allem, recht prächtig, wobei Josef Meinrad und Inge Konradi zeigen, wie sehr es doch auch eine jüngere Generation in Wien gibt, die so recht vom Herzensgrund her Nestroy zu spielen vermag.

In den Kammerspielen läuft der „Bund fürs Lebe n“, ein harmloses, nicht sehr kluges Lustspiel aus der routinierten Feder Hans Schuberts : Ein kleines Stück, eines unter vielen anderen, mit einer Reihe amüsanter Einfälle, die nicht alle die des Autors sind, und mit einer Handlung, die ebensogut wie keine Handlung ist. Der Publir kumserfolg geht auf Rechnung des Ensembles. Ernst Waldbrunns zutiefst menschenkundiger Humor, Otto Schenks ziselierte Charakterkomik, Vilma Degischers noble Pointierung, Elfriede Otts munterer Liebreiz und Erich Nikowitz’ freundlicher Charme — das alles ist in hohem -Maße unterhaltend und reizvoll; die beliebten Schauspieler gestalten ihre Dutzendrollen, wie sie schon zwei Dutzend nahezu identischer gestaltet haben. Peter Preses besorgte die Regie, Inge Fiedler das Bühnenbild und die Kostüme, Elisabeth Markus. Hans Unterkircher und Friedl Czepa sorgen für das beliebte Josefstädter Klima.

Der Schönheit der Formen entspricht der Reichtum der Wirkungen ihrer ochsenblutfarbigen Reduktionsglasuren, die Wilma Schalk-Niedermayr in mühevollen Untersuchungen entwickelt hat, und die Sicherheit der ornamentalen und bildnerischen Absichten, die die Künstlerin verwirklicht. Sie führt ihre keramischen Bilder und Reliefs fast ausschließlich in einer neuen Technik für Baukeramiken (Stegtechnik und geritzte Platten) aus und vermag damit eine erstaunliche Wirkung zu erzielen. Der Stil ihrer 'keramischen Hausbilder ist lapidar, epigrammatisch und präzis im Ausdruck. Das ist Handwerkskunst in edelstem Sinne und den Schöpfungen einer Dichterin, Malerin oder Bildhauerin ebenbürtig. Und da diese Kunst im engsten Zusammenhang mit der Architektur steht, ist auch ihre Schöpferin die berufene Archi- tekturkeramikerin und Mitarbeiterin hervorragender Architekten.

„Die beste Wirkung ist stets da, wo die größte Einfachheit erreicht ist.“ Mit diesen Worten etwa kennzeichnet Wilma Schalk-Niedermayr ihre Arbeiten und die Art ihrer Entstehung; sie sind gewachsen, organisch geworden wie Stein und Pflanze — und dies im tiefsten Sinn Lebendige an ihnen mag die Ursache ihrer eindrucksvollen Wirkung sein.

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