6662653-1960_16_13.jpg
Digital In Arbeit

Seilners „Ödipus“

Werbung
Werbung
Werbung

Gustav Rudolf Seltner inszeniert im B u r g-t h e a t e r den „König Ö d i p u s“ von Sophokles. Um nicht mißverstanden zu werden: Wir freuen uns, daß dieser deutsche Spitzenregisseur in der Burg zur Tat kommt, und hoffen, ihn recht oft zu seihen. Auch deshalb hier die Kritik. Höchst eigenwillig waltet dieser Mann mit der Antike, mit Sophokles, vor allem mit dem Chor, dessen Verse, Worte, die zu dem Allerschönsten gehören, was menschliche Dichtkunst vermag, hier kaum zu verstehen sind. Sellner hetzt den Chor, so, als hätte er die Hunde der Penthesilea zur Verfügung. Das ist jammerschade. Zum zweiten: Mit Antike, oder Vorantike, mit archaischem, vorzeitlichem Wesen hat diese seine Auffassung des großen Dramas nichts zu tun. Wohl gilt dies für Fritz Wotrubas prachtvolles Bühnenbild. Zu seiner frühzeitlichen Größe würde das große, langtönende, preisende, grollende Wort des Chors passen, Posaune, Tube des Letzten Gerichts, und Meeresrauschen; wer es vernehmen will, lese Hölderlins Übertragung des „König Ödipus“. Rudolf B a y r, wohl erprobt im Ringen mit attischem Vers, spricht eine andere Sprache; auch sie hört man leider nur vernehmbar in der Rede des Protagonisten. Erich S c h e 11 o w wirkt bestechend als Odysseus, durch Sprachtechnik, straffe Haltung und Gestik; ein junger Held, kein König der Schmerzen, kein antiker Hiob (der auch in diesem Drama steckt). Maria Wimmer, als I o k a s t e, würde sichtlich mehr Zeit wünschen, um sich ganz zu entfalten. Neben den Gästen behaupten sich gefällig

Erich Auer als Kreon, Ewald Baiser als Seher Teiresias, Hermann Thimig als Hirt. Hervorragend, ein Gewitterlicht, das an die furchtbaren Schatten um den Götterberg Olymp, um griechische und menschheitliche Frühe erinnert, ist Boy Gobert als Bote. Die Klangkulisse (Ulrich Engelmann) kann sich nicht vergleichen mit den Tönen in jener großartigen archaisch-antiken Aufführung des „Titus Andronikus“ durch Peter Brook in der Burg, mit diesem Gastspiel der Engländer, mit dem wir diese deutsche Produktion gern vergleichen möchten ...

Sanft, melancholisch, zart, verhalten: Wer kann sich dergestalt Franz M o 1 n ä r s heißblütigen „L i 1 i o m“ vorstellen? Nun, Heinz Conrads gibt, in der von Hans Jaray besorgten Neuaufführung im Theater in der Josefstadt, diesen liebestollen Sexteufel als einen liebenswerten armen Teufel, einen netten Burschen, der ohnmächtig dem Berufsverbrecher Fiscur erliegt. Helmut Qualtinger unheimlich echt, kompakt, aus einem Guß, ganz harte Fülle, böse Masse, ohne Fenster zur Menschlichkeit. Lieb, rührend auch, und 6ehr anders, als man erwartet, Nicole Heesters als das kleine Dienstmädchen, die Julie. Gretl Schörg gibt die Frau Muskat als Prater-prinzessin; wienerisch ganz richtig im Ton ist vielleicht allein Elfriede Ott als die Marie. Sehr ansprechend die Nebenfiguren: Hans Ziegler als himmlischer Polizeikonzipist, Karl Hackenberg als Dienstmann und Cafetier. Viel Tränen, viel Beifall im Publikum.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung