Mit einem durch zahlreiche Fehlbesetzungen geprägten, aber auch szenisch enttäuschenden "Don Giovanni" begann die Wiener Staatsoper ihren neuen Mozart/Da-Ponte-Zyklus.
Was Bayreuth der "Ring", muss der Wiener Staatsoper der Mozart/Da-Ponte-Zyklus sein. Folgerichtig ist es der Ehrgeiz beinahe jedes Operndirektors, diese Trilogie in einer maßstäblichen Produktion zu zeigen. Szenisch wie sängerisch, am besten von einem Leading Team verantwortet. Dafür hat sich schließlich Dominique Meyer entschieden, nachdem die ursprünglich vorgesehenen Dirigenten nicht zur Verfügung standen. Was kann einem Haus Besseres passieren, als dass sich sein Musikdirektor, der obendrein mit diesem Repertoire langjährige Erfahrung hat, dieser Werke annimmt?
Und Franz Welser-Möst - daran lässt er von den ersten Takten der straff musizierten Ouvertüre an keinen Zweifel - hat eine sehr klare interpretatorische Vorstellung von diesem Mozart. Er setzt auf klare Linien, durchaus kammermusikalische Durchsichtigkeit, Tempi, die es den Sängern leicht ermöglichen sollten, ihre jeweilige Botschaft unmissverständlich über die Rampe zu bringen. Manches klingt in dieser dem Notentext gegenüber bewusst disziplinierten Lesart allerdings etwas emotionsneutral. Das hängt auch damit zusammen, dass in den von Kathleen Kelly wenig fantasievoll begleiteten Rezitativen zu wenig Rücksicht auf den Tonfall der davor und danach liegenden Nummern genommen wird, was einem einheitlichen Spannungsbogen zuwiderläuft.
Aber leicht ist es gewiss nicht am Pult zu stehen, dafür ein exzellent vorbereitetes Orchester und einen gut studierten Chor (Thomas Lang) zu haben, kaum aber die entsprechende Besetzung. Dass Ildebrando D'Arcangelo ein exzellenter Leporello ist, weiß man seit Jahren, für den Don Giovanni fehlt ihm einiges an stimmlicher Grandezza, aber auch an schauspielerischer Glaubwürdigkeit, um die Doppelbödigkeit dieser Person deutlich werden zu lassen. Auch Alex Esposito wäre besser beraten gewesen, in der Partie des Masetto zu bleiben, statt sich als allzu outrierter Leporello zu gefallen. So vermag man ihm nicht abzunehmen, dass er selbst einmal ebenso elegant-durchtrieben in die Rolle seines sich angeblich so auf die Verführung verstehenden adeligen Herrn schlüpfen könnte.
Alles andere als überzeugend
Sally Matthews und Roxana Constantinescu - eine Staatsopern- und eine Rollendebütantin - als Donna Anna und Donna Elvira sind die markantesten musikalischen Schwachstellen dieser Produktion: oft schrill in der Höhe, eckig in der Phrasierung, undeutlich in der Artikulation, ohne jegliche Strahlkraft in den jeweiligen Arien. Ob auch Nervosität oder schlechte Tagesverfassung einen Streich gespielt haben? Masetto und Zerlina sind mit Adam Plachetka und Sylvia Schwartz rollendeckend, aber auch so besetzt, dass sie einmal Teil eines neuen Wiener Mozart-Ensembles werden könnten, überstrahlt von Saimir Pirgus sich im Laufe des Abends noch steigerndem Don Ottavio, dem gewiss noch einiges an kantablem Schmelz zuwachsen wird. Routiniert, aber ohne die geforderte Basspräsenz Albert Dohmen als Komtur.
Als Regisseur für alle drei Da-Ponte-Opern hat die Staatsoper den Mozart-erfahrenen Jean-Louis Martinoty verpflichtet. Ob dies auch so bleiben wird? Sein Einstand fiel jedenfalls alles andere als überzeugend aus. Kann es damit getan sein, den Großteil der Handlung in ein Wirtshaus zu verlegen, weil sich hier die einzelnen Szenen auch gut arrangieren lassen? Genügen Kostüme (Yan Tax) allein, um zu zeigen, dass die hier auf die Bühne gestellte Handlung durchaus eine des 20. Jahrhunderts sein könnte? Hätte man nicht vielmehr erwarten dürfen, dass dies durch eine die Schicksale der einzelnen Figuren (die man auch klar zeichnen müsste) verdeutlichende Personenführung wenigstens versucht wird zu erklären? Nur auf den Charme von Verwandlungen und eine auf einer Schräge errichtete, sich wie vergrößerte Diapositive ausmachende, zuweilen kitschige Bühnenarchitektur (Hans Schavernoch) zu vertrauen oder sich vornehmlich auf die - trotz aller Widrigkeiten ungebrochene - Faszination der Musik zu verlassen, ist zu wenig.
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