Sonnenkönig der Lust

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Mozarts "Don Giovanni" in der eindrucksvollen Lesart von Sascha Goetzel und Peer Boysen am Tiroler Landestheater.

Das Tiroler Landestheater macht mit einem dreiteiligen Mozartzyklus auf sich aufmerksam. Dirigent Sascha Goetzel und Peer Boysen als Regisseur und Ausstatter formen die Da-Ponte-Opern mit ästhetischem Wiedererkennungswert. "Figaro" ist 2005 überregional anerkannt worden, "Cosi fan tutte" folgt im Herbst 2006. Nun hatte , höchst beachtlich, "Don Giovanni" Premiere. Dass im August bei den Innsbrucker Festwochen René Jacobs ebenfalls "Don Giovanni" präsentieren wird, erhöht den aktuellen Reiz der Landestheater-Produktion.

Dies allein schon wegen der klanglichen Disposition. Denn Sascha Goetzel gehört zur jungen, neuen Musikergeneration, die mit den wichtigsten Praktiken des vorklassischen Musizierens vertraut ist, ohne die Vorzüge des modernen Instrumentariums aufzugeben. Er durchmisst die "Don Giovanni"-Partitur mit kleinstmöglichem Orchester und großer Behutsamkeit, arbeitet subtil und ohne Hast an Klang und Akzentuierung und setzt energische Stellen mit Kraft, nicht mit Wucht. Das Tiroler Symphonieorchester Innsbruck folgt ihm sehr bereit darin, den emotional gesteuerten Affekt vor den Effekt zu setzen.

"Die Oper ist das Konzept", sagt Peer Boysen, was eine heutige Lesart der Oper nicht ausschließt. Er wählte die Wiener Fassung ohne das moralisierende Schlusssextett. Seine Arbeit kennzeichnen die drastische Reduktion der Mittel, Phantasie, eine wunderbare Gleichzeitigkeit von Tragödie und Komödie und intensive Personenführung.

Die Bühne ist offen, mehrere Schichten von roten und transparenten Vorhängen öffnen sich theatralisch (und transportieren, wenn man will, auch Ablagerungen der Don Juan-Bühnenrezeption). Die erst schwärzlich changierenden, dann weißen Kostüme mischen neue Materialien mit feudaler Illusionsoptik. Beleuchtung ersetzt Material, auf einem zentralen Podest konzentriert sich die Handlung. Da werden die Emotionen immer enger, die Personen immer verwirrter. Sie bewegen sich beängstigend hart am Abgrund (zum Bühnengraben) und oft am Boden, wenn sie vor lauter Orientierungslosigkeit Augenbinden tragen oder Zerlina den großen Herren wie ein Kätzchen umwirbt. Sébastien Soules ist kein adelig-feiner, doch ein absolutistischer Sonnenkönig der Lust, Michael Dries stark in domestiker Betulichkeit, Christian Zenker als Don Ottavio die Inkarnation der Lyrik, Thomas Gazheli ein solider Komtur. Großartig die Donna Anna der Christine Buffle und die Donna Elvira der Susanna von der Burg, liebevoll ernst genommen Renate Fankhausers Zerlina und Martin Achrainers Masetto.

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