Durchschnittlicher Größenwahn

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Ein neuer, repertoiretauglicher "Macbeth" hatte an der Staatsoper Premiere. Am Theater an der Wien inszenierte Claus Guth "L'Incoronazione di Poppea" als Wechselbad der Gefühle.

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Ein neuer, repertoiretauglicher "Macbeth" hatte an der Staatsoper Premiere. Am Theater an der Wien inszenierte Claus Guth "L'Incoronazione di Poppea" als Wechselbad der Gefühle.

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Der Beifall war verhalten. Selbst mit Buhrufen wurde die blasse Inszenierung "Macbeth" an der Staatsoper nicht bedacht. Eine Überraschung? Nicht ganz, wenn man sich an die Vorgeschichte dieser Premiere erinnert: 2009, zu Ende der Ära Holender, hatte man mit einem neuen "Macbeth" veritablen Schiffbruch erlitten. Nur sechsmal stand diese von dem Dirigenten Guillermo García Calvo und der heftig über die Stränge schlagenden Regisseurin Vera Nemirova als Leading-Team verantwortete Verdi-Produktion auf dem Spielplan. Dann wurde sie ersetzt. Offiziell, weil die wesentlichen Sänger krank wurden. Tatsächlich, weil Publikum und Kritik diesen "Macbeth" ziemlich einhellig abgelehnt hatten.

Gewiss hatte dies so mancher Premierenbesucher des neuen Staatsopern-"Macbeth" im Hinterkopf. Nicht zuletzt deshalb fielen die Reaktionen so freundlich aus. Denn ein wirklicher Wurf ist dieser Verdi nicht. Gewiss, fürs Repertoire tauglich. Aber das ist es auch schon. Regisseur Christian Räth, der damit an der Staatsoper debütierte, versetzt - begleitet von einem kahle Mauern unterschiedlich aneinanderreihenden Bühnenbild (Gary McCann) und einem pointierten Sonne-Mond-Wechselspiel -das Werk an irgendeinen Ort irgendwann im Heute. Assoziationen zu Flüchtlingen, Diktatoren und Geheimdiensten werden bemüht. Die Hexen erscheinen mit langen Haaren in Militärmänteln. Blutig geht es zu, was durch Videoeinblendungen (Nina Dunn) betont wird.

Bis an die Grenzen gefordert

Unter die Haut geht diese Erzählweise nicht, was auch an der Musik liegt: Dirigent Alain Altinoglu, erstmals bei einer Staatsopernpremiere am Pult des ihm willig folgenden Orchesters, konzentriert sich vor allem auf Details. Den sprichwörtlichen Verdi-Akzent hat er noch nicht verinnerlicht. Und Spannung weiß er kaum zu entfachen. Der neue Macbeth, George Petean, zeigte sich bis an die Grenzen seiner Möglichkeiten gefordert. Weitaus schwächer als 2011 in Salzburg -damals unter dem packend dirigierenden Riccardo Muti -Tatjana Serjan als mehr der Lyrik als der Dramatik verpflichtete Lady Macbeth. Immer noch ein Solitär: Ferruccio Furlanetto als auch souverän agierender Banquo. Der Rest ist guter Durchschnitt. Präzise studiert, unterschiedlich wortdeutlich der Chor der Wiener Staatsoper.

Auch im Theater an der Wien steht bei "L'Incoronazione di Poppea" - zugleich der Abschluss des 2011 mit "L'Orfeo" begonnenen und 2012 mit "Il ritorno d'Ulisse in patria" fortgeführten Monteverdi-Zyklus - eine Frau im Mittelpunkt. Wie bei Verdi scheitert sie auch hier. Denn Regisseur Claus Guth, der auch die früheren Produktionen szenisch verantwortete, lässt, ganz im Gegensatz im Original, Poppea ihr Glück nicht genießen. Kaum ist sie zur Kaiserin gekrönt und mit dem als machtgeil und sexbesessen geschilderten Nerone (brillant Valer Sabadus) ein Paar, erschießt sie dieser und dann sich selbst. Die Liebe hat in diesem Kaleidoskop wechselnder Gefühle, wie Guth dieses Sujet liest, keinen Platz.

Gleich den beiden vorangegangenen Monteverdis versetzt die Regie das Geschehen in die Gegenwart. Diesmal wird man mit einer Art Game-Show konfrontiert. Fortuna, Virtù und Amore sind selbstverständlich ihrer Göttlichkeit entkleidet, vielmehr Teile eines Rätselspiels, dessen Stränge zuweilen auch hinter der Bühne gezogen werden.

Dem trägt Christian Schmidts Bühnenbild Rechnung - ein einer Fernsehkulisse nachempfundener Rundbau, bei dem sich, wird er gedreht, auch Backstage-Atmosphäre gut vermitteln lässt. Ansonsten wird man mit einer Vielzahl an Ideen konfrontiert, wie eine ihren Schmerz mit Champagner-Glas beklagende Königin (emphatisch Jennifer Larmore), die später mit einem Vuitton-Koffer flüchtet, einen in der Badewanne sterbenden Seneca (rollendeckend Franz-Josef Selig) oder zu Männern gewordenen Ammen, die mehr als Persiflage denn als Hinweis auf die Commedia dell'Arte-Züge dieses Stoffs wirken.

Jean-Christophe Spinosi am Pult seines Ensemble Matheus erwies sich als seriöser Verwalter von Monteverdis Musik. Auf Christina Bauers Live-Elektronik-Einschübe hätte man verzichten können. Insgesamt nur durchschnittlich die Sängerriege mit Alex Penda als bis an die Grenzen ihrer Möglichkeit geforderten Poppea.

Macbeth

Wiener Staatsoper, 17., 21. Okt.

L'Incoronazione di Poppea

Theater an der Wien, 16., 19. Okt.

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