Von Machtrausch und Blutvergießen

19451960198020002020

Die Opern "Bluthaus","Punch and Judy" und ein aktuell gelesener "Macbeth" als spannendes und bedenkenswertes Musiktheater.

19451960198020002020

Die Opern "Bluthaus","Punch and Judy" und ein aktuell gelesener "Macbeth" als spannendes und bedenkenswertes Musiktheater.

Werbung
Werbung
Werbung

Am Ende bleibt die Tochter allein im Haus. Der Verkauf ist gescheitert, der Makler muss gehen. So will es das Libretto. Auch wenn dies in Peter Mussbachs von einer exzellenten Personenzeichnung begleiteten, aussagekräftigen Inszenierung nicht völlig herauskommt. "Bluthaus" ist der Titel dieses bei den Wiener Festwochen aufgeführten Werks: eine Oper nach einem Text von Händl Klaus vom international erfolgreichsten österreichischen Komponisten der Gegenwart, Georg Friedrich Haas. 2011 in Schwetzingen uraufgeführt, wird sie nun in einer kürzlich fertig gestellten musikalischen Neufassung gezeigt.

Ein aufwühlender wie aktueller Stoff, der im südlichen Niederösterreich spielt. Unterschiedlichste Charaktere mit ihren verschiedenen Beziehungen bevölkern die ebenso von Mussbach erdachte Bühne - die Außenfassade einer Villa, aber auch die Andeutung eines Kellers. Die Studentin Nadja Albrecht erlebt noch einmal die schrecklichen Jahre ihrer inzestuösen Vater-Beziehung in Wiederbegegnungen mit ihrem längst verstorbenen Vater und ihrer Mutter. Sie hat ihren Mann erst erstochen, anschließend sich selbst gerichtet. Blut, wohin das Auge blickt, daher der Titel des Stücks. Ein so erschreckendes wie zum Nachdenken aufforderndes Panorama einer Gesellschaft, die sich vor allem mit sich selbst beschäftigt und die jahrelang traktierten Opfern bestenfalls oberflächliches Interesse entgegenbringt. Es bleibt damit nichts anders übrig, als alleine den Weg aus diesem Dunkel zu versuchen.

Packend wie das Sujet, das sich auch knapper hätte erzählen lassen, ist auch Haas' immer wieder die Spannung antreibende, auf Textklarheit zielende, von subtil-schattierten Tönen bis zu anschwellender Dramatik anwachsende Musik, hier in besten Händen beim exzellent musizierenden Klangforum Wien unter Peter Rundel. Sie waren auch ideale Mitkombattanten für die mit höchsten technischen Herausforderungen konfrontierten, herausragenden Singschauspieler - voran Sarah Wegeners bewegende Nadja Albrecht, Ruth Weber und Otto Katzameier als ihre Eltern und Daniel Gloger als der um sie buhlende, schließlich von ihr verstoßene Makler mit dem bezeichnenden Namen Axel Freund.

Blutrausch als Tor zur Reife

Blutrünstig geht es auch in Harrison Birtwistles Opernerstling "Punch and Judy" mit dem Untertitel "Eine tragische Komödie oder eine komische Tragödie" zu. Tatsächlich findet sich beides verschmolzen. Selbst wenn über die Ernsthaftigkeit der grundsätzlichen Thematik nie Zweifel besteht: Hinter den zahlreichen Morden von Punch verbirgt sich die verzweifelte Suche nach dem Erwachsenenwerden, um auch reif zu werden für die anfänglich unerreichbar scheinende Geliebte. Sie findet Punch schließlich in der schönen Polly. Folgerichtig steht am Ende dieser ritualisierten Mordkette die Hinrichtung von Punch' Vater.

Birtwistle und sein gleichfalls dem sprichwörtlichen britischen Humor verfallener Librettist Stephen Pruslin bezeichnen das Stück als Oper. Tatsächlich präsentiert sich "Punch and Judy" vielmehr als rasche wie bunte Aufeinanderfolge skurriler, von Figuren des traditionellen englischen Puppenspiels inspirierter Szenen. Sie konfrontieren gleichermaßen mit Grausamkeit und Liebe. Einzelne Darsteller schlüpfen in mehrere Rollen, um so ihre Doppelbödigkeit zu demonstrieren.

1991, anlässlich der großen Birtwistle-Perspektive von "Wien modern", war dieser auch musikalisch ungewohnt facettenreiche Einakter im Wiener Odeon zu sehen. Jetzt bietet die von Monika Biegler in ein gespenstisch-dunkles Kellerverließ umgestaltete Bühne der Wiener Kammeroper das entsprechende Ambiente für diese gelungene Produktion der "Neuen Oper Wien" mit dem gewohnt ambitionierten Amadeus Ensemble unter Walter Kobéra.

Auch die übrigen Protagonisten werden den Ansprüchen dieses sprunghaften dramatischen Mosaiks bestens gerecht. Angeführt von Till von Orlowskys markantem Choregos, Richard Rittelmanns Mord besessenem Punch und dem ausdrucksreichen Mezzo von Manuela Leonhartsberger als Judy. Sie alle lotet Regisseur Leonard Prinsloo mit viel hintergründigem Witz durch diese sich der Überzeichnung als vorrangiges Kunstmittel bedienenden, eigenwilligen Szenenfolge.

Verdi südafrikanisch gespielt

Auch in Giuseppe Verdis "Macbeth" fließt reichlich Blut, wird gemordet, um an das Ziel der Wünsche zu kommen. Ein politisch unverändert aktuelles Sujet, legt man den Stoff etwa auf afrikanische Verhältnisse der jüngeren Vergangenheit um. Da braucht man so gut wie nichts am Operntext zu ändern, muss ihn nur da und dort in eine aktuellere Sprache übersetzen. Auch die Kernstücke von Verdis Partitur können bleiben, um diese aktuelle Spiegelung in kaum mehr als eineinhalb Stunden spannend zu realisieren.

Als Requisiten genügen ein einfaches Podium in Raummitte, dahinter eine Leinwand, auf der politisch Wissenswertes kurz projiziert wird. Dazu ein gegenüber dem Verdi'schen Original stark verkleinertes, in seiner Schlagkraft nicht minder beeindruckendes Orchester und Stimmen, die es an Volumen und Artikulation mit jedem Star großer Häuser aufnehmen können. Auch wenn die Namen Owen Metsileng (Macbeth), Nobulumko Mngxekeza (Lady Macbeth) oder Otto Maidi (Banquo) und die ebenso hervorragenden Choristen vorderhand noch nicht allgemein bekannt sind.

Aber auch der Konzeptionist und Inszenator dieser aufwühlenden wie unkonventionellen "Macbeth"-Produktion von Third World Bunfight, Kapstadt, Brett Bailey, oder der exzellente musikalische Leiter des No Borders Orchestra, Premil Petrovic (von ihm war auch das glänzende Orchesterarrangement), waren vor diesem Wiener Festwochen-Auftritt im Odeon kaum ein Begriff. Das hat sich nach diesem Abend geändert.

Bluthaus - Theater an der Wien

13., 15. Juni

Punch and Judy - Kammeroper Wien

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung