Verdis Außergewöhnliches beim Wort genommen

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In Salzburg erfüllten Riccardo Muti und Peter Stein mit ihrer umjubelten Produktion von Verdis "Macbeth“ in der Felsenreitschule die hochgesteckten Erwartungen. Ob sich Muti nach diesem sensationellen Erfolg nicht vielleicht doch bewegen lässt, entgegen seinen Ankündigungen auch künftig in Salzburg Oper zu dirigieren?

Beinahe wäre es Schillers "Die Räuber“ oder Grillparzers "Die Ahnfrau“ geworden. Schließlich entschied sich Verdi, Shakespeares "Macbeth“ zu vertonen und eröffnete damit den Reigen seiner in "Otello“ und "Falstaff“ gipfelnden Shakespeare-Opern. "Diese Tragödie ist eine der großartigsten menschlichen Schöpfungen“, urteilte er über Shakespeares Text. "Wenn wir nichts Großes machen können, versuchen wir wenigstens, etwas Außergewöhnliches zu machen“, schrieb er seinem Librettisten Francesco Maria Piave. Weil dieser seine Ansprüche nur bedingt erfüllen konnte, wandte sich Verdi für den Text des dritten und vierten Aktes an Andrea Maffei. Bei der Uraufführung schien keiner der Textautoren auf dem Programmzettel auf.

Kein Erfolg bei der Uraufführung

Die Premiere am 14. März 1847 im Florentiner Teatro della Pergola war kein Erfolg. Auch die Uraufführung der zweiten Fassung, am 21. April 1865 im Pariser Théâtre Lyrique, blieb ohne gewünschte Resonanz.

Erst im Zuge der Verdi-Renaissance in den 1920er-Jahren begann man, sich für diesen frühen, in wesentlichen Zügen bereits die Idee der durchkomponierten Oper verwirklichenden Verdi näher zu interessieren. Salzburg sprang auf diesen Zug in den 1960er-Jahren auf, mit einer vom Team Wolfgang Sawallisch & Oscar Fritz Schuh verantworteten "Macbeth“-Produktion. 20 Jahre später folgte eine weitere, mit Riccardo Chailly als Dirigenten und Piero Faggioni als Regisseur. Nun gelang es, zwei Giganten dafür zu engagieren: Riccardo Muti, den dieses Stück seit den 1970er-Jahren begleitet, und Peter Stein. Zweimal hatte Muti Salzburgs einstigen Schauspielchef für "Macbeth“ eingeladen. Beim ersten Mal sagte Stein ab, beim zweiten Mal erwies sich die Vorbereitungszeit als zu kurz. Salzburgs Intendanten Markus Hinterhäuser gelang das Bravourstück, die beiden doch noch für dieses "melodramma in quattro atti“ zusammenzubringen.

Nicht nur dass die Zusammenarbeit, allen Unkenrufen zum Trotz, blendend funktionierte - Muti und Stein ist eine Modellaufführung gelungen. Und dem Regisseur zusätzlich der Beweis, dass dieses Stück seine spezifische Wirkung ebenso entfacht, wenn man einfach die Fakten sprechen lässt. Interpretation schließt das nicht aus. Denn in der Felsenreitschule, deren Dimensionen er wie kein anderer beherrscht - Ferdinand Wögerbauer hat eine flachwellige Landschaft modelliert, aus der zwischendurch eine den Königspalast symbolisierende schwarze Tür auffährt, ebenso der Tisch für das Bankett, wo Platz bleibt für sommernachtsartige Kinderballettszenen, erschütternde Kindermorde, etwas altmodisch anmutende Kampfszenen - macht Stein die Handlung, die bei ihm selbstredend im Schottland des 11. Jahrhunderts spielt, durch eine meisterhafte Personenführung deutlich.

Selten wird so selbstverständlich nachvollziehbar, dass Lady Macbeths krankes Machtstreben zu ihrem geistigen Verfall führen muss. Ebenso packend wird die Tragik des in seiner Schwachheit und Melancholie gefangenen Macbeth erzählt. Selbst die meist zu blassen Nebenfiguren gestempelten Banquo, Macduff oder Malcom - auch ihre Kostüme (Annamaria Heinreich) hätte man sich stilisierter, weniger historisch vorstellen können - erhalten in dieser bewusst konventionellen Inszenierung klare Konturen. Noch dazu in idealer Übereinstimmung mit der Musik. Sie wird in einer Mischfassung geboten: Die zweite "Macbeth“-Version wird mit Macbeths Tod aus der ersten kombiniert, die sonst im zweiten Akt gespielte Ballettmusik findet sich quasi als Ouvertüre an die Spitze des dritten gerückt.

Hinreißende Spannungskurven

Bei Riccardo Muti, der den exzellent aufspielenden Wiener Philharmonikern nicht nur in den Piani überwältigende Farbschattierungen entlockte und daraus hinreißende Spannungskurven aufbaute, war die Partitur in besten Händen. Ideal führte er die Sänger, ebenfalls mit höchster Präzision die über die gesamte Bühne der Felsenreitschule oder in den Gängen zwischen Bühne und Publikumsraum verteilten Choristen. Sie dürfen in dieser Szenerie den verzauberter Birnam-Wald, Baumstämme oder Erdhügel packend suggerieren.

Tatiana Serjan gab eine innerlich bewegte Lady Macbeth, ˇZeljko Luˇci´c einen noblen, von schmerzlicher Wehmut erfüllten Macbeth. Rollendeckend Dmitry Belosselskys unterschiedlich tiefenscharfer Banquo, untadelig Giuseppe Filianotis emotional zurückhaltender Macduff, bestens aufeinander abgestimmt die übrige Besetzung.

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