Rote Nasen, Bademäntel und Sex in der Dusche

Werbung
Werbung
Werbung

Die Staatsoper zeigt Verdis „Macbeth“ in einer szenisch missglückten, musikalisch nur durchschnittlichen neuen Produktion. Vordergründige Provokation auf der Bühne, fehlbesetzte Protagonisten, ein fehlgeschlagenes Staatsoperndebüt – und überdies keinerlei Inspiration aus dem Orchestergraben. Das Publikum reagierte entsprechend.

Nicht gerade von Glück begünstigt sind die Premieren der letzten Saison der Direktion Ioan Holender. Wie schon bei „Lady Macbeth von Mzensk“ musste auch diesmal der Dirigent kurzfristig ersetzt werden. Gelang es bei Schostakowitsch mit Ingo Metzmacher einen gleichwertigen Ersatz zu finden, musste man dieses Mal anstelle von Daniele Gatti auf den jungen, bisher nur im Repertoire verpflichteten Guillermo García Calvo zurückgreifen. Hatte er zu viel Respekt vor dieser Aufgabe? War es nicht sein Tag? So lust- und glanzlos wie an diesem Premierenabend hat man das Staatsopernorchester schon lange nicht spielen gehört. Auch nicht mit so wenig Impetus. Was gleichermaßen an den Tempi wie der grundsätzlichen Vorsicht lag, mit der er sich der Partitur näherte. Musiktheater, zumal spannendes, ist eben mehr, als eine halbwegs geglückte Balance zwischen Orchestergraben und Bühne.

Opfer billiger Effekte

Gerade sie verstörte am meisten. Kunst muss, keine Frage, immer wieder neu errungen, ihre Inhalte müssen fortwährend hinterfragt werden. Selbstredend aus der Perspektive der jeweiligen Zeit. Verdis erste Shakespeare-Auseinandersetzung aber – wie es manche in der Pause ärgerlich artikulierten – zum Opfer billiger Effekte zu machen, geht darüber weit hinaus. Banquos Mörder im Trenchcoat mit roten Nasen und Luftballon, die Hexen zuerst als fotografierende Journalistinnen, später, wie wenn sie gerade der Sauna entstiegen wären, im Bademantel. Das Ballett als Persiflage eines Fitnessclubs.

Schon zuvor verärgerte, dass es Lady Macbeth und ihr Gatte nach seinem Mord an Duncan in der im Einheitsbühnenbild –einem abgebrannten Wald (Johannes Leiacker) – aufgestellten Dusche trieben. Dass die tanzenden Hexen Zuflucht unter dem Rock der auf Stelzen gestellten Lady suchen, schließlich Haken die Bühne bevölkern, sind nur weitere Streiflichter dieser makabren Deutung. Dabei, so die Regisseurin Vera Nemirova, gehe es doch nur darum zu zeigen, dass Schuld an diesen grausamen Taten beide tragen: die Lady und Macbeth.

Skurrile Kostümparade

Das hätte einer entsprechenden Personenführung bedurft. Die findet in dieser skurrilen Kostümparade, die ebenso mit Schottenröcken wie mit Abendkleidern und Smokings konfrontiert, erst gar nicht statt. Simon Keenlyside als Macbeth und die für diese Aufgabe vokal nicht ausgereifte Lady der schwedisch-amerikanischen Staatsoperndebütantin Erika Sunnegårdh, beide überdies in diesen Rollen fehlbesetzt, stehen meist unvermittelt auf der Bühne. Ein Schicksal, mit dem sich auch die übrigen, nur durchschnittlichen Protagonisten, aus denen sich Dimitri Pittas’ Macduff und Stefan Kocáns Banquo etwas herausheben, abfinden müssen.

Bleibt die Frage, was man mit solchen Produktionen bezweckt. Provokation alleine ist stets zu wenig. Das Mindeste sind neue Lösungsansätze, im Falle von Musiktheater wenigstens der Hinweis auf neue Begabungen oder geglückte Rollendebüts. Doch nichts davon wollte sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung