Liebe, Macht und Gewalt

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Mozarts "Idomeneo" und Ernest Blochs "Macbeth" beim Wiener KlangBogen-Festival.

Angekettete Kriegsgefangene, Patrouillen mit Maschinengewehren, verwundete Zivilisten - leicht verstand man diese aktuellen Assoziationen bei der KlangBogen-Produktion von Mozarts "Idomeneo", ein Stück zweifellos um Liebe und Krieg. Abgesehen von solchen Andeutungen hatte Nicolas Briegers Inszenierung aber wenig zu bieten, versagte vor allem in der Personenführung. Kurt Streit verstand es dennoch, die Zerrissenheit des Idomeneo klug auszuloten und gesanglich zu transportieren; seine große Arie im zweiten Akt in der virtuosen Fassung war ein Moment größter Spannung. Solche Qualität erreichten die anderen Solisten nicht, selbst wenn Maria Bengtsson als Ilia mit schön gerundeter Lyrik betörte und Heidi Brunner einen mehr im Ausdruck als tonlich überzeugenden Idamante darstellte. Regina Schörg imponierte als Elettra mit dem dramatischen Impetus ihres Singens, verstörte im Lyrischen aber mit vager Musikalität und verkrampften Höhen sowie kaum vorhandener Partiendurchdringung. In prächtiger Klangfülle und Präzision präsentierte sich der von Janko Kastelic einstudierte Chor, Attribute, die auch auf das exzellent musizierende Radio Symphonieorchester Wien zutrafen. Von Bertrand de Billy wurde es mit viel Animo dirigiert, wobei aber dramatischer Zugriff nicht gleichbedeutend für intensive Spannung stand.

Mit "Idomeneo" hat das KlangBogen-Festival nicht nur erstmals eine Mozart-Oper neu produziert, es ist mit der Einstudierung auch von der bisher gepflegten Praxis abgegangen, vor allem seltene Werke wiederzubeleben. Eine absolute Opernrarität fehlte dennoch nicht im Festival-Programm: "Macbeth" - nicht von Giuseppe Verdi, sondern in der 1910 in Paris uraufgeführten Vertonung durch Ernest Bloch. In die Musikgeschichte ist dieser Schweizer Komponist mit seinen jüdisch geprägten Werken eingegangen. Seine einzige vollendete Oper stammt hingegen aus einer früheren Schaffensphase und lässt Einflüsse von Blochs Vorbildern, etwa Debussy erkennen.

Die gegenüber Verdi weitschweifigere Oper wurde im Theater an der Wien nicht im französischen Original gegeben, sondern in einer vom Komponisten mitgestalteten englischen Version, in der auf Shakespeares Dramentext, eines seiner "schwärzesten Stücke", zurückgegriffen wurde. Diese Charakteristik wurde szenisch wirkungsvoll aufgegriffen: Auf der düsteren Bühne (Ausstattung: Es Devlin) befand sich ein rotierender Kubus, mit dem beeindruckend durch Spiegeleffekte Visionen und ständig wechselnde Bilder dargestellt wurden. Die Weissagungen der Hexen waren in der Inszenierung von Keith Warner keine phantastischen Orakelsprüche, sondern Zeitungsankündigungen - Sinnbild für die Macht der Medien, die Menschen manipulieren können. In Spiel und Stimme überzeugte Donnie Ray Albert als Macbeth, Susan Bullock war dagegen eine Lady Macbeth der vokal unangenehm schrillen Art. Mel Ulrich verlieh dem Macduff markantes Stimmprofil, während Wolfgang Müller Lorenz als König Duncan rollengerecht fahl im Ton agierte. Volltönend stimmgewaltig präsentierte sich der Chor, hervorragend einstudiert das Radio Symphonieorchester Wien, das freilich von Shao-Chia Lü nuancierter, farbenreicher und dynamisch schattierter durch die Partitur hätte geführt werden können.

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