"Rossinissimo"-Taumel an der Salzach

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Als Teenager hörte der italienische Mezzo-Star Cecilia Bartoli auf einer römischen Provinzbühne erstmals eine Rossini-Oper: "Il barbiere di Siviglia". Seitdem ist sie diesem Komponisten verfallen. Wohl auch, weil sie mit ihm weltweit ihre größten Erfolge feierte. Etwa in der Titelpartie von "La Cenerentola". Zufall, dass diese Oper vorige Saison an der Wiener Staatsoper neu inszeniert, in dieser Spielzeit in der Wiener Kammeroper gespielt wurde und damit die Bartoli nun ihre dritten Salzburger Pfingstfestspiele eröffnete? Aber ein Sujet wie diese beinahe unwirklich anmutende Geschichte vom Aschenputtel, das zum unerwarteten Prinzessinnen-Glück findet, hat eben immer Saison. Und sie lässt sich auch sehr unterschiedlich deuten, wie diese heftig akklamierte Produktion im "Haus für Mozart" zeigte.

In der Staatsoper spielte die Handlung im Rennfahrermilieu, während die Kammeroper mit einer biederen Nacherzählung des Stoffs aufwartete. In Salzburg verlegte Regisseur Damiano Michieletto das Geschehen in eine heruntergekommene Cafeteria und ein gestyltes Bar-Ambiente (Bühne: Paolo Fantin), um die Zeitlosigkeit dieser Story aufzuzeigen und vorweg alles Märchenhafte zu vermeiden. Dass dieses Konzept nur teilweise aufging, zeigte sich spätestens, als versucht wurde, im schummrigen Party-Licht zu Rossinis zündender Italianitá die Tanzbeine zu schwingen. Was auch am Dirigenten Jean-Christophe Spinosi lag. Er animierte sein auf alten Instrumenten höchst transparent musizierendes Ensemble Matheus mehr zu eckiger Artikulation als zu beredt-schwungvoller Eleganz. Kein überzeugendes Plädoyer, um dieses Repertoire unbedingt auf Instrumenten der Zeit darzustellen.

Unbekannter Rossini

Cecilia Bartoli, die mit ihrer mitreißenden Energie und raumgreifenden Bühnenpersönlichkeit so manche stimmlichen Verschleißerscheinungen kaschierte, dominierte als selbstbewusste Angelina/Cenerentola die Sängerriege. Souverän Nicola Alaimo als in die Rolle seines schließlich Angelina freienden Herrn Don Ramiro (durchschlagskräftig und machtvoll Javier Camarena) schlüpfenden Dieners Dandini. Ugo Guagliardos Alidoro ragte deswegen aus der übrigen Besetzung heraus, weil ihn Michieletto vom Erzieher zum Amor, Postboten oder Herbeizauberer kräftiger Gewitter pointiert umdeutete und damit zum Deus ex machina machte. Clorinda (Lynette Tapia) und Tisbe (Hilary Summers) hätten ebenso bessere Stimmen verdient wie der polternde Don Magnifico (Enzo Capuano).

Bunt und vielfältig präsentierte sich das übrige Angebot dieses Salzburger Rossini-Pfingstfestivals. Erstmals wurde zum Festivalfinale eine zweite Oper szenisch aufgeführt: Rossinis "Otello" in der aus Zürich bekannten, unkonventionellen Lesart von Moshe Leiser und Patrice Caurier. Die Ensembles der Römischen Oper unter ihrem Musikdirektor Antonio Pappano gastierten mit dem "Stabat mater" und der "Petite Messe solennelle". Zahlreiche Sängerstars waren für eine Rossini-Gala aufgeboten. David Fray machte in seiner Klavier-Matinee im Mozarteum überzeugend deutlich, dass Rossini zeitlebens gehaltvolle und viel zu wenig bekannte Klaviermusik geschrieben hat. Selbst ein Gala-Diner á la Rossini wurde offeriert. Bekanntlich war der Komponist ein großer Gourmet, der früh kulinarische Genüsse dem Komponieren von Opern vorzog.

Inspiriert wurde das unter dem Titel "Rossinissimo!" firmierende Salzburger Pfingstfestival nicht zuletzt durch die Rossini-Begeisterung, die Wien 1822 überrollt hatte. Sehr zum Missfallen der heimischen Komponistenprominenz, wie man in der vom Da Ponte Research Center im Schüttkasten ausgerichteten, noch bis Ende Juni zu sehenden Ausstellung "Rossinimania, Wien 1822" erfahren kann. Sie konfrontiert am Beispiel sorgfältig ausgewählter Bilder und Notendokumente auch mit Rossinis erfolgreichen London-und Paris-Aufenthalten. Zudem reminisziert sie an den durch deren Anhänger provozierten, heute kaum mehr allgemein bekannten Opernstreit zwischen Rossini und Carl Maria von Weber. Sie trafen einander erst 1826 in Paris.

"So ruf ich alle Götter" ist das Motto der Pfingstfestspiele 2015 mit dem Iphigenie-Mythos als programmatischem Mittelpunkt. Eröffnet werden sie mit Christoph Willibald Glucks "Iphigénie en Tauride".

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