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Dvoráks „Rusalka“ als letzte Opernpremiere der diesjährigen Salzburger Festspiele: musikalisch faszinierend, doch mit Ideengut überfrachtet.

Verkehrte Welt – wird mancher Opernbesucher, manche Opernbesucherin gedacht haben: Mozarts „Don Giovanni“, ein Werk, das zum großen Teil in geschlossenen Räumen spielt, ist bei den Salzburger Festspielen in diesem Jahr in einem Wald angesiedelt, Antonín Dvorák „Rusalka“ dagegen, eine Märchenoper mit Schauplätzen am bewaldeten Ufer eines Sees, ist in der Ausstattung von Barbara Ehnes in einen Bretterverschlag verlegt, ein Ambiente, aus dem die Natur – abgesehen von den Video-Projektionen – verbannt bleibt.

„Rusalka“, Dvorák einzige auch auf internationalen Bühnen erfolgreiche Oper aus dem Jahr 1901, die Liebesgeschichte einer Wassernixe, die um den Preis ihrer Menschwerdung verstummt, an der Liebe zu einem Prinzen scheitert und schließlich den Geliebten in den Tod reißt – diesem lyrischen Märchen nach Andersens „Kleiner Seejungfrau“, de la Motte Fouqués „Undine“ und Hauptmanns „Versunkener Glocke“ (Libretto der Oper von Jaroslav Kvapil, gesungen wird in tschechischer Originalsprache) galt die letzte große Opernpremiere der heurigen Salzburger Festspiele.

Musikalisch betreut wurde sie von Franz Welser-Möst, dem designierten Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper, der damit erstmals (und laut eigenen Aussagen vorerst auch letztmals) in Salzburg eine Opernproduktion leitet. Er dirigiert dabei aber nicht die Wiener Philharmoniker, sondern „sein“ Cleveland Orchestra, mit dem er in Amerika schon mehrfach Opern aufgeführt hat, jedoch nur konzertant – so auch „Rusalka“ im Juni dieses Jahres, mit nahezu identer Besetzung wie in Salzburg.

Bravo für die Musik, …

Bei der Premiere am 17. August zeigte sich das Orchester unter seinem Chef hervorragend vorbereitet, spielte differenziert farbenreich und klanglich ausgewogen. Franz Welser-Möst zeigte großes Gespür für die weiten lyrischen Bögen und schuf so einen nuancierten (und im Vergleich zu seinen eigenen Interpretationen der jüngeren Vergangenheit für ihn sogar erstaunlich klangsinnlichen!) orchestralen Untergrund für das Solistenensemble, an dessen Spitze der Prinz von Piotr Beczala stand. Er verfügt über einen herrlich schmelzreichen Tenor von warmem Timbre und großer Gesangskultur und verströmt sich höchst differenziert und luxuriös klangverschwenderisch, begeistert mit strahlenden Höhen ebenso wie mit wunderbar klangvollen piani.

Ähnlich musikalisch vielschichtig im Vortrag und souverän in den gesanglichen Anforderungen in allen Lagen imponierte Camilla Nylund in der Titelrolle – ihrem etwas kühlen Timbre fehlte es nur ein wenig an klanglicher Wärme. Und ebenso könnte man anmerken, dass eine sonorere Stimme noch mehr Eindruck als Wassermann machen könnte als jene von Alan Held – und dennoch überzeugt auch er als höchst souveräner Sänger sowie guter und nachdrücklicher Gestalter.

Birgit Remmert stattete die Hexe mit opulenten Tiefen aus, während ihre Höhen Arbeit erahnen ließen, Emily Magee als Fremde Fürstin kontrastierte mit dunklem Sopran gut zum hellen Ton Rusalkas, Eva Liebau war ein spielfreudiger, stimmlich wie darstellerisch präsenter Küchenjunge, Adam Plachetka und Daniel Schmutzhard treffliche Besetzungen für Förster und Jäger und Anna Prohaska, Stephanie Atanasov und Hannah Esther Minutillo ein gut abgestimmtes Nymphentrio.

… Buh für die Produktion

Enthusiastisch gefeiert wurden Solisten, Orchester und der Maestro vom Premierenpublikum, mit vehementen Buh-Rufen sah sich dagegen das Produktionsteam um das Regie-Duo Jossi Wieler und Sergio Morabito konfrontiert. Ihre Sicht der Geschehnisse ist in einer Art Bordell angesiedelt – das Bordell als Zwischenreich, während der eigentliche Handlungsgegensatz zwischen Natur und Zivilisation gar nicht erst vermittelt wird.

Hat man sich im Vorfeld nicht nur gerade über die eigentliche Opernhandlung, sondern auch ein wenig über den stofflichen Hintergrund des „Rusalka“-Märchens informiert, wird man viele Details der Regiearbeit sofort verstehen (etwa die Anspielungen auf christliche Elemente), aus sich selbst heraus bleibt aber vieles in dieser Inszenierung zu unverständlich und belastet als „Überbau“ – vor allem aber: Alle Figuren (in dieser Produktion gibt es keinen Sympathieträger!) bleiben fern, echte Emotionen werden nicht zugelassen: Der Prinz ergeht sich während der musikalisch so empfindsamen und vielschichtigen Finalszene in epileptischen Zuckungen, während Rusalka stoisch sitzend verharrt, kalt den Todeskuss abwickelt und den Prinzen danach durch ein Loch in die Tiefe befördert.

Dies als Beispiel (und Schlusspunkt) einer mit viel Ideengut überfrachteten Produktion, in der die Details nicht vertiefen, sondern komplizieren und unbeantwortete Fragen aufwerfen, während der eigentlichen Handlung Spannung und Gefühlstiefe fehlen – eine Produktion aber vor allem, in der szenisch „Schönheit“ und mehr noch unmittelbare Intensität in jeglicher Form verboten scheinen – kann dies die Absicht einer Theateraufführung sein?

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