Die szenische Poesie fehlt

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Die Wiener Staatsoper präsentiert Antonín Dvoráks dreiaktige Oper "Rusalka" in einer musikalisch hochkarätigen, szenisch ziemlich unpoetischen Neuproduktion.

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Die Wiener Staatsoper präsentiert Antonín Dvoráks dreiaktige Oper "Rusalka" in einer musikalisch hochkarätigen, szenisch ziemlich unpoetischen Neuproduktion.

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Am liebsten wäre Antonín Dvor ák, der seine musikalische Laufbahn als Bratschist im Orchester des Prager Interimstheater begonnen hat, der Nachwelt als Opernkomponist in Erinnerung geblieben. Tatsächlich gründet seine Popularität vor allem auf seinem symphonischen, zu Teilen auch seinem kammermusikalischen Schaffen, wie die e-Moll-Symphonie "Aus der neuen Welt" oder sein Amerikanisches Streichquartett zeigen. Ob sich diese Sicht gewandelt hätte, wäre es dem Hofoperndirektor Mahler gelungen, das Lyrische Märchen in drei Akten - wie Dvor ák seine dreiaktige Oper "Rusalka" genannt hat - an die Wiener Hofoper zu bringen? Dazu ist es jedenfalls nicht gekommen. Vorerst wegen der übertriebenen Honorarforderungen des Komponisten. Dann, weil er den für ihn günstiger ausgehandelten Vertrag nicht unterschrieben hat. Schließlich, wobei wohl auch nationalistische Überlegungen mitspielt haben, weil man in Wien später kein Interesse mehr an diesem Werk zeigte.

So konnte man sich hier von dieser auf dem "Undine"-Stoff basierenden Oper nicht, wie geplant, schon ein Jahr nach der Prager Uraufführung, die im März 1901 stattfand, ein Bild machen, sondern erst im Juni 1924 durch ein Gastspiel der Olmützer Oper im Wiener Metropoltheater. Die ersten Wiener Eigenproduktionen ließen auf sich warten. Den Anfang machte 1935 die Volksoper. Erst 1987 folgte die Staatsoper, die jetzt mit ihrer zweiten Neuinszenierung dieser Oper aufwartet, die sich durchaus auch als erste bezeichnen lässt. Denn erstmals wird dieser späte Dvor ák ungestrichen gespielt.

Große Spannweite der Musik

Hans Christian Andersens "Die kleine Meerjungfrau", Gerhart Hauptmanns "Die versunkene Glocke", vor allem Friedrich de la Motte Fouqués 1811 publizierte Erzählung "Undine" sind die Quellen für Jaroslav Kvapils Libretto, das er zuerst Dvor áks Schüler Oskar Nedbal, J.B. Foerster, Karel Kovar ovic und Dvor áks Schwiegersohn Josef Suk angeboten hatte, ehe es den Weg zu Dvor ák fand. Der vertonte die tragisch-romantische Geschichte von der skurrilen Liebe einer Meerjungfrau zu einem Prinzen in knapp sieben Monaten. "Eine Kette melodischer Gedanken ohne dramatische Kontinuität" war anlässlich der Uraufführung über diese leitmotivisch stark vernetzte, mit mehreren melancholischen Höhepunkten aufwartende Musik zu lesen. Was möglicherweise am Uraufführungsdirigenten, Karel Kovar ovic, lag. Dass sich in dieser Musik auch packende dramatische Szenen finden, die das Fehlurteil vom musikalischen Nichtdramatiker Dvor ák hörbar korrigieren, machte das Dirigat von Jir i Belohlávek an der Spitze des gut studierten, klangschön musizierenden Staatsopernorchesters deutlich.

Auch die glänzende Gestaltung der Titelfigur durch die hinreißende Krassimira Stoyanova demonstrierte die große Spannweite dieser Musik. Nicht so ideal besetzt erwies sich die Rolle des Prinzen mit dem dafür zu wenig metallischen, zuweilen angestrengt wirkenden Michael Schade. Rollendeckend Günther Groissböck als Wassermann. Zu unentschieden in der Emotion, vor allem ohne die auch gefragte Dämonie agierte Janina Baechle als vokal untadelige Jez ibaba. Mit kräftiger Stimme, in den Höhen etwas schrill, präsentierte sich Monika Bohinec als in grellem Rot auftretende Fremde Fürstin. Tadellos die übrigen Protagonisten und der von Martin Schebesta einstudierte Staatsopernchor, dessen Kostüme weniger an eine Hochzeitsgesellschaft als eine Trauergemeinde erinnern.

Zurückhaltende Regie

Passend zur zurückhaltenden Regie - besser: den szenischen Arrangements - von Salzburgs designiertem Intendanten Sven-Eric Bechtolf, der nicht so recht an den poetischen Charme und das auch märchenhafte Flair dieses lyrischen Dreiakters zu glauben scheint, was durch die wenig atmosphärische Bühnenarchitektur von Rolf Glittenberg noch unterstützt wird: Am Anfang und Ende ein Blick in das Innere eines schmucklosen Baus in einer Winterlandschaft mit einem die Traumwelt suggerierenden Spiegel im Obergeschoß. Im zweiten Akt ein roter Rahmen, der Raum für mehrere Schauplätze lässt, nicht zuletzt für ein an den Hochzeitsball erinnerndes, virtuos dahinwirbelndes Tanzpaar.

Rusalka - Wiener Staatsoper 30. Jänner, 3., 6., 9. Februar

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