Kein Ölbild ist das Stück, sondern eine Elfenbeingravur

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Nach Hamburg und München ist Christof Loys spritzig-komödiantische Inszenierung von Gioacchino Rossinis „Il Turco in Italia“ im Theater an der Wien gelandet.

Liebe, Intrige und ein Happy End: So kurz lässt sich der Inhalt dieses Rossini beschreiben. Vergessen hat man auf diesen Zweiakter nie. Die Popularität seines Parallelstücks, der „Italiana in Algeri“, hat er allerdings nie erreicht. Ob es, wie man in der Literatur nachlesen kann, daran liegt, dass hier nicht ein Ölgemälde gezeigt wird, sondern mehr eine Elfenbeingravur? Regisseur Christof Loy hat für seine Inszenierung gerade diese Idee aufgenommen und daraus ein Kammerspiel vom Feinsten geformt.

Gespielt wird in der Gegenwart, was die Bedeutung des gleich eingangs erklingenden Chors „Unsere Heimat ist die ganze Welt“ (gesungen wird selbstverständlich Italienisch) bewusst aktualisiert. Von mehreren Dutzenden Zigeunern, die gleich am Beginn aus einem (!) Wohnwagen herauskriechen, über von Choristen ausgelegte Kulissen, die unversehens in die jeweils gewünschte Atmosphäre führen, modische Bars bis hin zu einem voll bestückten Schuhkasten reicht die Palette der bunten Bilder (Ausstattung: Herbert Murauer), die diese Geschichte des sich auf Erotikurlaub nach Italien begebenden reichen Selim, der schließlich zu seiner alten Liebe Zaida zurückfindet, exzellent illustrieren.

Don Geronio im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt der für die Commedia dell’arte-typischen Verwirrungen zwischendurch stehen der gehörnte Don Geronio und seine, ihrer Ehe längst überdrüssige Donna Fiorilla, die nach einigen Amouren doch wieder im ehelichen Hafen andocken muss.

In der von Benedikt von Peter für das Theater an der Wien aufgefrischten Inszenierung präsentierte sich Ildebrando D’Arcangelo ganz als der verlangte türkische Charmeur, punktete die vorjährige Salzburger Festspielentdeckung Nino Machaidze mit schauspielerischem Charme und kraftvoller, nicht immer gleich höhensicherer Attitüde als Donna Fiorilla. Subtiler und nicht weniger überzeugend legte Paola Gardina die Zaida an. In Renato Girolamo hatte man einen idealen Darsteller für den Don Geronio gefunden. Enrico Marabelli gab den Poeten, der den Abend über nichts anderes im Sinn hat, als aus den einzelnen Handlungsfäden das von ihm erwünschte Libretto für eine komische Oper zu schreiben, nicht zuletzt mit den Ingredienzien eines zuweilen verwirrten, stets sympathischen Intellektuellen. David Alegret spielte nicht ohne – auch vokale – Selbstironie Fiorillas dienstältesten Liebhaber Don Narciso. Den Arnold Schoenberg Chor loben, hieße Eulen nach Athen tragen. Allein die Leichtigkeit, mit der er die Pointen servierte und sich auch noch darstellerisch bewährte, sind nicht genug hervorzuheben.

Sie alle konnten jenem Fundament vertrauen, das Fabio Luisi mit seinen bestens vorbereiteten Wiener Symphonikern legte. Ein Vergnügen mitzuerleben, wie er den Sängern folgte, die Ensembles kundig führte, die Dramatik des Geschehens durch eine entsprechende Tempodramaturgie immer wieder anfachte und derart aufzeigte, wie ungerecht es ist, diesem 1814 an der Mailänder Scala aufgeführten Rossini bloß Zweitklassigkeit zu attestieren. Man muss eben nur wissen, wie man es anpackt.

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