Start mit Ohrwürmern und Walzerfloskeln

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Das Theater an der Wien eröffnete den neuen Premierenreigen mit einer wenig überzeugenden neuen "Hamlet"-Oper. Die Volksoper hingegen begann die Saison schwungvoll mit Ralph Benatzkys Operette "Axel an der Himmelstür" voller musikalischer Pointen.

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Das Theater an der Wien eröffnete den neuen Premierenreigen mit einer wenig überzeugenden neuen "Hamlet"-Oper. Die Volksoper hingegen begann die Saison schwungvoll mit Ralph Benatzkys Operette "Axel an der Himmelstür" voller musikalischer Pointen.

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Shakespeare anlässlich seines 400. Todestags in einem neuen, aktuellen Gewand? Hatten sich das der Komponist Anno Schreier und sein Librettist Thomas Jonigk für ihre dieses Jahr fertiggestellte Oper in 24 Szenen "Hamlet" vorgenommen? Motive aus Shakespeares gleichnamigem Drama findet man jedenfalls in dem knapp zweieinhalbstündigen Werk, das nun am Theater an der Wien Premiere hatte.

Unschlüssige Dramatik

Jonigk hat sich außerdem zu diesem Stoff schlau gemacht: in den "Gesta Danorum" von Saxo Grammaticus und den "Histoires tragiques" von François de Belleforst. Ihm ist es um eine "möglichst subjektive" Deutung dieses Sujets gegangen. Ohne dass sein "Hamlet eine auf flache Weise aktualisierte Figur wird", wie er in einem gemeinsamen Interview mit Regisseur Christof Loy betont.

Das Ergebnis? Eine in besseren Kreisen spielende, stets sehr dramatisch verlaufende Familienaufstellung, in welcher Hamlets ermordeter Vater -ihn stellt der einst gefeierte Countertenor Jochen Kowalski als schleimigen Besserwisser dar - fortwährend als Kommentator die Bühne betritt. Ophelia - darstellerisch und sängerisch makellos Theresa Kronthaler - muss als Prosituierte auftreten, die mit Hamlet dann doch kein Paar wird. Er wiederum, engagiert interpretiert durch Andrè Schuen, kann sich weder den hysterischen, inzestuösen Liebesbezeugungen seiner Mutter Gertrud ganz entziehen, noch in den verschiedenen Situationen, mit denen er konfrontiert ist, wirklich positionieren, wie es Loys auf eine klare Personenzeichnung konzentrierte Regie deutlich macht.

Bo Skovhus gibt in dieser Inszene, für die sich Christof Loy von seinem Ausstatter Johannes Leiacker ein Einheitsbühnenbild - zwei in die Höhe ragende, konservativ tapezierte Wände, eine davon mit einer weißen Tür, davor ein Sofa - kreieren hat lassen, den so gut wie ausschließlich machtgeilen Claudius. Kurt Streit darf, eine unnötige Beigabe, einen bald seinen Glauben nicht mehr ernst nehmenden Pastor mimen.

Virtuose und ebenso effektvolle Belcanto-Passagen hat sich der Komponist für die sich in dieser Produktion in Laszivität aalende Marlis Petersen als Gertrud einfallen lassen.

Ansonsten präsentiert sich die - vom ORF-RSO Wien und dem gewohnt brillanten Arnold Schoenberg Chor unter der souveränen Leitung von Michael Boder realisierte - Partitur als wenig origineller Verschnitt: angeregt von Werken zahlreicher Klassiker des letzten Jahrhunderts, schwankend zwischen zuweilen unschlüssiger Dramatik und ironisch gemeinten, in dieser Form sich beinahe karikierend gebärdenden Walzerfloskeln. Welche Botschaft Librettist und Komponist mit ihrem "Hamlet" vermitteln wollten? Erschlossen hat es diese Produktion nicht.

Liebe statt Interview

Die Spitzen von Regierung, Kunst und Wirtschaft waren bei der Uraufführung von Ralph Benatzkys musikalischem Lustspiel "Axel an der Himmelstür" am 1. September 1936 im Theater an der Wien anwesend. Die Rolle der exzentrischen Schauspielerin Gloria Mills spielte ein späterer Star: Zarah Leander. Niemand Geringerer als Hans Weigel schrieb die Gesangstexte. Achtzig Jahre danach erinnert die Volksoper an diese Boulevardkomödie über den Traum des erfolglosen Reporters Axel Swift, dass ihm durch ein Interview mit der sich allen Journalisten verweigernden Filmdiva endlich der große Durchbruch gelingt. Swift schafft eine Nacht mit ihr, das tags darauf erschienene Interview aber hat die Mills selbst geschrieben.

In einem von Videos unterstützten, dem Hollywood der 1940iger-Jahre mit viel Geschmack nachempfundenen Ambiente (Bühnenbild: Sam Madwar) erinnert Kurt Schreibmayer als Cecil McScott an große Hollywood-Produzenten. Johanna Arrouas gibt mit viel Spielwitz seine am Ende dem Charme des Ottakringer Friseurs Theodor Herlinger (authentisch interpretiert von Boris Eder) erlegene Sekretärin Jessie Leyland.

In mehreren Partien -vom schmierigen Klatschreporter Randy Racebottom (Stefan Bischoff) bis zum Betrüger Prinz Tino Taciano (Maximilian Klakow), der es ausschließlich auf Gloria Mills Geld abgesehen hat - sind die ebenfalls vokal bestens disponierten Hollywood Harmonists zu sehen. Eine Neuschöpfung von Regisseur Peter Lund gegenüber dem dramaturgisch weniger schlüssigen Original. Bettina Mönch und Andreas Bieber als Gloria und Axel kosteten genüsslich die zahlreichen musikalischen Pointen dieser auch mit Tango, Blues oder Jodler garnierten Partitur, die Lorenz C. Aichner, der auch das ambitionierte Volksopernorchester mit viel Schwung dirigierte, mit zusätzlichen Ohrwürmern angereichert hat, aus.

Hamlet

Theater an der Wien, 23. Sept.

Axel an der Himmelstür

Volksoper, 23., 25., 29. Sept.

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