Eine Treppe und viel unreflektiertes Beiwerk

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Möglicherweise ist Ambroise Thomas’ "Hamlet“ besser als sein Ruf. Dann bräuchte es jedenfalls eine andere Inszenierung und ein feinfühligeres Dirigat als im Theater an der Wien geboten wird.

Das Schicksal kann hinauf oder hinunter führen. Das war wohl der Grund, weshalb sich Regisseur Olivier Py von seinem Ausstatter Pierre-André Weitz für diese Neuproduktion mit dem Brüsseler Théâtre Royal de la Monnaie eine im Lauf des Geschehens vielfach veränderbare Treppe, die gleichzeitig eine schiefe Ebene symbolisiert, errichten ließ. Selbstverständlich stets in fahles Licht (Bertrand Killy) getaucht. Schließlich schwingt in Ambroise Thomas’ "Hamlet“, zuweilen sehr frei nach Shakespeares Vorlage, immer wieder der Tod mit.

1868 hatte diese fünfaktige Oper in sieben Bildern Premiere an der Pariser Opéra, ein grandioser Erfolg. Im Jahr darauf war im Königlichen Opernhaus Covent Garden in London erstmals die zweite, die englische Version zu sehen. Im Wesentlichen geht es darum, ob die Oper mit einem Happy End schließt oder Hamlet durch Selbstmord endet. Im Theater an der Wien, wo man diese Premiere - Zufall oder nicht - an Shakespeares 396. Todestag angesetzt hatte, entschied man sich für eine Mischversion: Kaum hat Hamlet seinen durch den Mord an seinem Vater zum Dänenkönig gewordenen Onkel Claudius getötet, richtet er sich selbst und macht den Thron frei für den norwegischen Prinzen Fortinbras. Eine neue Zeit wird damit eingeleitet, das Schwingen der roten Fahne zeigt es. Wenigstens in dieser Inszenierung.

Hamlet mit Mutter in der Badewanne

Was aber will Py mit seiner Arbeit zeigen, an welcher Botschaft liegt ihm? So praktikabel sich die Treppenkonstruktion, die plausibel das zuweilen verschlungene Ambiente des mittelalterlichen Palastes von Helsingör suggeriert, erweist, so sehr überfrachtet Py die Handlung mit Details, die sich später nicht auflösen. Kohlen werden an die Bühnenrampe gebracht, das intime Zwiegespräch Hamlets mit seiner Mutter Gertrude, die für den Tod ihres Mannes mit verantwortlich zeichnet und durch die Heirat mit dessen Bruder die Position der Königin behält, findet in einer Badewanne statt, ein Fön muss herhalten, um Asche wegzublasen.

Wie immer man zu solchen Ingredienzen steht - und selbst wenn ein Regisseur versucht, deren theoretischen Überbau im Programmheft wortreich zu erklären: Sinn hat solches nur, wenn es in ein schlüssiges Konzept eingebunden wird, die Pointe nie vereinzelt stehen bleibt. Das aber muss sie, wenn sich die Personenführung mehr oder weniger darauf beschränkt, das Geschehen in eine bloße Abfolge von Bildern zu kleiden und es dem Zuschauer zu überlassen, wie er die jeweiligen Figuren, deren spezifische Charakteristik damit beliebig bleibt, sieht.

Dass sich die Story im Wesentlichen um zwei Paare - König Claudius und dessen neue Frau, Gertrude, auf der einen Seite, Hamlet und Ophélie auf der anderen - dreht, kommt viel zu wenig heraus. Kaum mehr als skizzenhaft behandelt die Inszenierung auch die übrigen Darsteller. Dazu kommt, dass mehrfach von der Rampe gesungen wird. Wie wenn die Interaktion zwischen dem einzelnen Darsteller und dem Publikum wesentlicher wäre als das Bühnengeschehen. Ein klassisches Missverständnis.

Auch deshalb unverständlich, weil ganz vorzügliche Singschauspieler zur Verfügung stünden. Voran Stéphane Degout, eine - auch stimmliche - Idealbesetzung für einen tragisch endenden Melancholiker, wie Py offensichtlich Hamlet zeichnen wollte, der dabei auch seine komödiantische Seite nie ganz vergisst; was er deutlich macht, wenn er sich plötzlich einen Trichter über den Kopf stülpt. Christine Schäfer, wenn auch in der Höhe zuweilen angestrengt, gibt der im Wahnsinn endenden Ophélie meist überzeugende Kontur. Mit Phillip Ens und Stella Gregorian ist das durch unlautere Mittel an die Macht gekommene dänische Königspaar Claudius und Gertrude rollendeckend besetzt - was nicht heißt, dass sich nicht so manche Phrase von ihnen eleganter phrasieren ließe.

Auftrumpfende Plakativität am Pult

Dies gilt im Übrigen auch für die anderen Protagonisten - wie Frédéric Antouns Laërte, Pavel Kudinovs Polonius und die beiden trunkenen Totengräber Martijn Cornet und Julien Behr - die alle dunkel gekleidet auftreten. Nur Ophélie als Inbegriff schwärmerischer Romantik darf sich in Weiß präsentieren.

Enttäuschend das Dirigat. Marc Minkowski, der in der kommenden Saison erstmals die Wiener Philharmoniker dirigieren wird, setzte vornehmlich auf kräftige Farben und drängte die unterschiedlich präzise musizierenden Wiener Symphoniker meist zu auftrumpfender Plakativität. Für kurze Zeit macht solches Effekt, auf die Dauer aber wirkt es langweilig, lässt die Spannung - wie auch an diesem Premierenabend - bald abebben. Vor allem blieben damit die aus Thomas’ Musik ebenso sprechenden, nicht selten folkloristisch kolorierten, subtilen Momente ziemlich auf der Strecke.

Weitere Termine

26., 28., 30. April, 2., 5. Mai

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