Ein Hamlet für viele

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2007 verabschiedeten sich die Sommerspiele Perchtoldsdorf mit Goethes Faust in eine Umbaupause. Heuer zur 33. Sommertheatersaison melden sie sich mit einem anderen Schwergewicht der Weltliteratur zurück. Dank Florian Teichtmeister in der Titelrolle wird Shakespeares „Hamlet“ vor schöner Kulisse durchaus zu einem sehenswerten Ereignis.

Hamlet ist ohne Zweifel das Gewichtigste der 39 Dramen die Shakespeare zugeschrieben werden. Mit einem Umfang von mehr als 4000 Versen und einer inhaltlichen Dichte mit Fragen von Schein und Sein und vielen Aussagen über die Welt und das Leben, machen aus der blutigen Rachetragödie ein Stück von philosophischer Tiefe, das als kosmologisches Drama vom Schicksal des Menschen verstanden werden kann.

Light-Version für Sommerabende

Die Fokussierung auf die düstere Gedankenwelt des grüblerischen Prinzen würde allerdings quer zu dem stehen, was man sich gemeinhin unter Sommertheater vorstellen mag. Der Rumäniendeutsche Regisseur Ioan C. Toma hat zusammen mit seiner Dramaturgin Eva-Maria Schachenhofer auf der Basis der Schlegel‘schen Übersetzung für die Sommerfestspiele eine knapp dreistündige Light-Version erarbeitet, die den lauen Sommernächten, der heiteren Stimmung im Hof vor der mittelalterlichen Burg zu Perchtoldsdorf (trotz der zahlreichen Leichen am Ende) keinen Abbruch tut und auch das Drama nicht allzu sehr beschädigt.

Das Gewicht der Inszenierung liegt denn auch mehr auf den äußeren Vorgängen, dass „was faul ist im Staate“, als auf der düster-melancholischen Gedankenwelt des grüblerischen Prinzen, als eines sich selbst gewahr werdenden Menschen in einer schlechten Welt. Die Burg zu Helsingör, die hier aus aufeinander getürmten Kabeltrommeln unterschiedlicher Größe, die durch einen Aluminiumsteg miteinander verbunden sind, besteht, gibt den Darstellern dabei viele Möglichkeiten, das Intrigenspiel zu gestalten (Bühne: Erich Uiberlacker). In der Mitte steht ein Flügel, an dem der gelassene Horatio (Christian Brandauer) sitzt und das Geschehen durch eine Art Barmusik begleitet. Andere Einfälle sind da glücklicher. Schöne szenische Lösungen hat Toma für die Hinrichtung von Rosenkranz und Güldenstern gefunden, als Schattenspiel hinter dem Segel des Schiffes, das sie nach England brachte oder für die die Schlachten des wackeren Tatmenschen Fortinbras, der auf den riesigen Kabelrollen die polnischen Heere niederwalzt.

Aber es ist vor allem Florian Teichtmeister als Prinz Hamlet, der dieser Inszenierung seinen Stempel aufdrückt. Seine Gestaltung kümmert sich wenig um das Mysterium der Innerlichkeit mit der Kernfrage „Was über allen Schein trag‘ ich in mir?“. Ganz in Schwarz, jugendlich in Ray Ban und Converse, trauert er zu Anfang, um den toten, ermordeten Vater, um die verlorene Mutter. Aber er hält sich nur kurz auf bei der berühmten Unentschlossenheit. Nur kurz ist er jener Zerrissene zwischen Pflicht und Innehalten.

Leichter und agiler Hamlet

Immer wieder deutet er zwar an, wie er gefangen ist in der Sensibilität seines Inneren Ichs, das sein Denken und sein Empfinden so kompliziert machen, wo die Erkenntnis des moralischen Dilemmas (den Vater zu rächen) die Fähigkeit zum Handeln lähmt und ihm schließlich auch den Weg verstellt zu seiner Liebe zu Ophelia. Mehrheitlich ist sein Hamlet leicht, agil, kein düsterer, melancholischer Grübler, eher ein verspieltes, hellwaches Kind, das zu schnell denkt, oder er ist ein wendiger, raffinierter Clown, ein komisches Genie, das durch das Mittel der Verstellung die Wahrheit ergründet. Seine Mitspieler bleiben dagegen weitgehend blass: Doina Weber als Mutter Gertrud und Silvia Meisterle als zum Wahnsinn gebrachte Ophelia ebenso wie Florentin Groll als Polonius, der eher umständlich als intrigant ist. Peter Scholz hat einige starke Momente. Den thronräuberischen Oheim Claudius spielt er als aalglatter, schlichter Bösewicht, bei dem das Gel im Haar mit dem Glanz von seinem kakibraunen Satinanzug um die Wette glänzt und nur durch sein ostentatives Lächeln, das Hamlet als die Maske des Verbrechens erkennt, noch überstrahlt wird.

Alles in allem lohnt der Gang nach Perchtoldsdorf zum Hören dieser unerhörten Handlung.

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