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Anspruch und Unterhaltung

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Der junge englische Dramatiker Tom Stoppard hatte einen großartigen Einfall: Er führt in seinem Schauspiel „Rosenkranz und Güldenstern“, das im Akademietheater zur deutschsprachigen Erstaufführung gelangte, diese beiden Edelleute aus „Hamlet“ von der Begegnung mit den Schauspielern bis zur Fahrt nach England vor, wobei Szenen aus Shakespeares Trauerspiel knapp im originalen Wortlaut eingeschnitten sind.

Es geht hierbei aber nicht darum, die Hamlet-Tragödie aus anderer, eben aus ihrer Perspektive zu sehen, sondern um die innere Situation dieser beiden Durchschnittsmenschen. Sie haben zwar den klaren Auftrag, Hamlet zu beobachten, sie kommen damit aber nur schwer zurecht und vermögen selbst zu den Vorkommnissen am Hof nichts beizutragen, was für den Autor zum nicht ganz überzeugenden Anlaß wird, daß sie sich über ihre gesamte Lebenssituation im Unklaren sind. Sie fühlen ein Unbehagen, versuchen es in intellektuellen Clownerien zu verdrängen. Dieser Ulk, der an Existentielles rührt, nimmt mit ernsten Diskussionen wohl fünf Sechstel des Stückes ein.

Das Doppelbödige von Bewußtem und weitgehend Verdrängtem wird in den Schauspielerszenen mit der Doppelbödigkeit dieses Metiers, im besonderen bei der Wiedergabe des Sterbens kontrastiert. Obwohl die Pantomime hier, über Shakespeare hinausgreifend, auch noch, kaum yerschlüsselt, die Hinrichtung von Rosenkranz und Güldenstern in London vorweg darstellt, obwohl sie erfahren, was ihnen bevorsteht, nehmen sie doch unnotwendig dieses Schicksal hin. Ein Haupteinwand gegen das Stück ergibt sich: In Rosenkranz und Güldenstern ersteht das Clownhafte von Wladimir und Estragon aus Becketts „Warten auf Godot“ wieder. Aber statt des unausgesprochenen Metaphysischen bei Beckett erweist die Todesvorstellung, um die es hier geht, flache Rationalität.

Der Hauptvorhang scheint bei der Aufführung dieses Stücks eine Leichenfeier anzukündigen, das Bühnenbild zeigt lediglich im Hintergrund schwarze, nur wenig aufgehellte Schleier; Lois Egg entwarf beides. Kurt Meisel gelingt es als Regisseur1 - vortrefflich, das fast ausschließlich Dialektische des Stük-kes überaus wendig zur Geltung zu

bringen. Klaus Jürgen Wussow ist ein Güldenstern von jener Energie, die im Tatenlosen verpufft, Peter Weck zeigt witzig, daß Rosenkranz etwas schwer von Begriff ist. Dem Schauspieler — dritte Hauptgestalt — gibt Paul Hoffmann bei gemessener Devotion Überlegenheit. Alles andere sind Randfiguren: Heinz Trixner als hektisch erregter Hamlet, Erich Aberle als vehement wirkender König, Angelika Hauff als

kaltherzige Königin, Erika Pluhar als fast gespenstige Ophelia. Die Pantomime wird in der Choreographie von Heinz Rosen parodistisch dargeboten. ,

Im Theater in der Josefstadt sieht man derzeit das Lustspiel „Nie wieder Mary“ der Amerikanerin Jean Kerr, einer erfolgreichen Stücke- und Romanschreiberin, das zwei Menschen vorführt, einen Verleger und seine Frau, die zueinander passen, aber ihre eigentliche Wesensart durch gegenseitiges Mißverstehen nicht entfalteten. Als sie sich nach einer Trennung wiedersehen, erkennen sie, was sie verloren haben und finden neuerlich zueinander. Wir verstehen: Wer weiß wieviel ungehobene Schätze bei unserem eigenen Ehepartner zu finden sind! In diesem Lustspiel gibt es — erstaunlich bei einem heutigen Stück — nichts Unerfreuliches, keinen penetranten Sex und doch geraten die Szenen nirgends ins Süßliche. Unter der gewandten Regie von Erik Frey bietet Eva Kerbler als junge Verlegersgattin alle Facetten sprühender Weiblichkeit, Karlheinz Böhm hat das etwas Verknorkste des Verlegers, der in seiner Frau nur den „wetterfesten Typ“ sah. Gisela Besch, C. W. Fernbach und Kurt Heitel bedingen in weiteren Rollen mit den Erfolg von Stück und Aufführung.

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