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Erste Komödie, Flucht, Sommer

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Als erste Komödie dieser Spielzeit spielt das Linzer Landes theater in den Kammerspielen „Die Frau des Schneiders“, von Raimund Berger, die dem Dichter 1951 cMbi österreichischen Staatspreis einörachte. Der Autor, ein Tiroler, zählt trotz seines kurzen, von Krankheiten verdüsterten Lebens zu den begabtesten zeitgenössischen österreichischen Dramatikern. Das in Linz nun erstauf- geführte Stück führt uns nach Frankreich in die Zeit um 1851 und zeigt, wie ein simpler Schneider nicht nur die bramarbasierenden Bier- tisohpolitdker aus dem Felde schlägt, sondern seine schon fast verlorene Frau zurückgewinnt. Hasso Degner arbeitet als Regisseur die Pointen wirksam heraus und gibt dem Spiel Farbe und Spannung. Heinz Köttel sorgte für ein werkgerechtes Bühnenbild, Gerhard Geist für die musikalische Untermalung nach alten französischen Motiven. Otto Hans Meinecke ist der stillvergnügte Schneider, der mehr durch das Spiel seiner Mienen als mit Worten sagt; Christa Schwertfeger die erst resolute, zum Ausbrechen aus dem vermeintlichen Ehejoch bereite, dann aber reuig in sich gehende Frau des Schneiders. Regina Felden weiß sich als Dienstmädchen vom Land der Zudringlichkeit der Großsprecher zu erwehren und entscheidet sich schließlich für den unkriegerischen Jules, als er sich scheinbar anschickt, in den Krieg zu ziehen. Manfred Jaksch stellt ihn fein pointiert auf die Bühne. Den kleinen Postangestellten und Mitläufer Roulet, der immer die falsche Partei erwischt, gibt mit wirksamer doch diskreter Komik Ernst Zeller. Die politischen Helden in Westentaschenformat, Leon und Maurice, werden mit Elan auf die Bühne gestellt von Werner Englert und Peter Uray. Den jüdischen Händler, der meist den kürzeren zieht, spielt mit betonter Komik Hubert Mann. Das Premierenpublikum unterhielt sich in dieser sauberen, klugen und literarisch ansprechenden Komödie bestens und dankte für deren prächtige Wiedergabe mit starkem Beifall.

Die im Oktober 1965 im Kleinen Theater der Josefstadt uraufgeführte Gemeinschaftsarbeit von Ernst Waldbrunn und Lida Winiewicz „Die Flucht" bringt das Linzer Landestheater als Studioaufführung in den Kammerspielen. Der bisherige Erfolg blieb ihr auch in Linz treu. Die durchdachte Regie Hasso Degners, bei der jede Geste, jeder Tonfall überlegt ist, brachte das undramatische doch spannungsgeladene Stück zu starker Wirkung. Hubert Mann stellt den kleinen Komiker Winter, der sich als Saufkumpan des mächtigen und Helfer des flüchtigen' Gauleiters mißbrauchen läßt, menschlich sympathisch auf die Bühne. Friedrich Grossart gelingt eine glaubwürdige Charakterisierung des sich jovial gebenden Blutmenschen in seiner Macht und Bedrängnis. Alle übrigen Mitwirkenden sind Episo denfiguren, aus _ dem Leben dieser verhängnisvollen Jahre gegriffen. — Das Spiel geht auf einer nahezu ausstattungslosen Bühne vor sich, die den Blick in den Schnürboden und auf die Beleuchtungsgalerie offen läßt. Die Verwendung der Drehbühne ermöglicht einen pausenlosen Ablauf.

Das Linzer Kellertheater bringt Romain Weingartens Stück „Der Sommer“ zur Österreichischen Erstaufführung. Barault hatte es 1965 in Paris uraufgeführt. Wenige Wochen später folgte die deutsche Erstaufführung in Darmstadt. Es ist ein modernes Stück, nicht im Sinne des absurden Theaters eines Ionesco oder Genet, eher vergleichbar mit der Ausdrucksform eines Schėhadė; vielleicht könnte man sagen: im Stil einer avantgardistischen Romantik. Es ist nicht dramatisch, sondern lyrisch-episch. Die Hauptpersonen, ein Liebespaar, treten nie in Erscheinung. Wir lernen sie nur kennen in der Erlebnisspiegelung eines Geschwisterpaares von etwa 12, 13 Jahren sowie im Miterleben von zwei personifizierten Katzen. Man muß diese Resonanz von Liebes- freud und Liebesleid wohl als Poesie gelten lassen. Das Kellertheater wendet besondere Mühe auf, um dem scheinbar anspruchslosen, doch für die Darsteller sehr anspruchsvollem Stück gerecht zu werden. Hel mut Ortner arbeitete in seiner Regie die lyrischen Elemente wirkungsvoll heraus ohne ins Sentimentale abzugleiten. Anita Milleder spielt die delikate Rolle der Lorette mit natürlicher Unbefangenheit und zeigt mit Zartheit das Erwachen der Frau aus dem Kinde. Ewald Oehlinger findet sich mit der Rolle dies debilen Bruders erstaunlich gut ab. Der früher ein Verständnis für die Äußerungen der Tiere hatte, wird durch das Mitfühlen des Liebesleides wissend, verstehend. Den ohne Kostüm wiedergegebenen Rollen der Katzen werden Franz Danner und, etwas massiver, Toni Pointecker gerecht.’ Von Ulli Wagerer bekommt man diesmal nur die kultivierte Stimme zu hören. Für die Ausstattung sorgten mit besonderer Sorgfalt Walter Fröller und Hans Dolzer. Eine dem Charakter des Stückes gut angepaßte, untermalende Musik, die vom Band wiedergegeben wird, steuerte Alfred Peschek bei.

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