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Spielzeitbesinn in Linz

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Der Beginti der Spielzeit 1961/62 bedeutet für das Linzer Landestheater auch den Beginn einer neuen Ära, das heißt der Tätigkeit eines neuen Intendanten und eines, neuen Opernchefs. Die Leitung des Theaters hat Karl Heinz K r a h 1, bisher Zürich, übernommen und hat als Operndirektor den durch- seine Wirksamkeit im fernen Ausland bekannten Dirigefrrim Kurt der übrigens ‘geboreher’ ‘Litaze ifet.“ ‘Eine für . eine Bühne vom Rang des Linzer Landestheaters besondere Maßnahme ist die Verpflichtung eines Spezialdirigenten für italienische bzw. romanische Oper, den man in Giuseppe Patanc gefunden hat.

Nachdem die letzten Jahre unter der Leitung von Fred Schroer dem Publikum wenig Befriedigung gebracht hatten, sah man nun den Antrittsvorstellungen der neuen Männer mit um so größerer Spannung und Hoffnung entgegen. Sehr begrüßt wurde in weiten Kreisen, daß Krahl die Werke Wagners zu pflegen versprach, deren seit Jahren keines mehr in Linz zu hören war. Man begann also mit einer neuen Inszenierung des „Lohe n- grin“, dem im Laufe der nächsten Jahre Stück für Stück der „Ring“ folgen soll. Mehr noch als die musikalische Leitung von Kurt Wöß interessierte die Inszenierung Krahls, dem als Bühnenbildner Walter Perdacher und Isolde Schwärz als Urheberin der Kostüme zur Seite standen. Krahl zeigte Sich, wie zu erwarten war, nicht unbeeinflußt durch Neu-Bayreuth, wahrte aber doch auch persönliche Züge. Völlig gelöst wurde der verzweigte Problemkomplex zwar nicht, doch kam ein im ganzen recht eindrucksvolles Resultat zustande. Sehr befriedigend war der musikalische und vor allem der orchestrale Eindruck, so daß man den weiteren Entwicklungen mit berechtigten Hoffnungen entgegensehen darf.

Bedeutende gesangliche Leistungen steuerten Gertrude Burgsthaler als Ortrud und der von der Staatsoper als Gast ausgeliehene Edmond Hurshell als Telra- mund bei. Oskar Schimoneck und Susanne Corda als Lohengrin und Elsa blieben dagegen um einige Grade zurück, hielten sich aber wacker und werden wohl noch in ihre Aufgaben hineinwachsen. Hans Lättgen war ein ausgezeichneter Heerrufer und Richard Itzinger ein guter, braver Märchenkönig.

Als Gegenstück folgte Verdis „Troubadour“ unter der musikalischen Leitung von Giuseppe Patanė, der sich dabei ausgezeichnet als Wahrer der echten, von willkürlichen Rubatoeskapaden der Sänger befreiten Verdi-Tradition bewährte, für rhythmische Straffung sorgte und auch den Orchesterpart zu seinem Recht kommen ließ. Helmut Hansel wahrte als Regisseur ebenfalls die Tradition, und da Isolde Schwarz mit den Bühnenbildern und Kostümen ebenfalls keine Experimente machte, kam eine Aufführung zustande, die von den Verdi- Enthusiasten sehr bejubelt wurde. Auch hier muß in erster Linie Gertrude Burgsthaler als Azucena genannt werden, nächst ihr Norman Bailey als Luna, Sergio Barlottini als Manrico — paradoxe

Situation: ein Italiener muß die Rolle auf den zungenbrecherischen deutschen Text singen! — und Hildegard Vollbeding als Leonore, Ludwig Zinnöcker als Ferrando und Miriana Irosch, eine junge Anfänge- ; rin, als Ines.

Es ist mit diesen beiden Inszenierungen . kein Wunder in Linz geschehen, aber es wurde mehr gezeigt als nur guter Wille. Wbnn däs angeschlagene Niveau gehalten wiM, so’ wollth "wir schein froh sein. Vor Rückfällen aber mögen uns die zuständigen Musen schützen.

Das Linzer Landestheater brachte in der neuen Spielzeit unter seinem neuen Intendanten K. H. Krahl als erstes Schauspiel im großen Haus Shakespeares „Troilus und Cressida“, eine geistreiche Travestie auf Homers Ilias, die ihm wohl nur aus dritter oder vierter Hand bekannt war. Dieses von den übrigen Shakespeare-Dramen grundverschie-

dene Stück bot dem neuengagierten Oberspielleiter Hermann Kutscher, den man vom Josefstädter Theater nach Linz holte, Gelegenheit, sein Können zu zeigen. Es gelang ihm, Tragik und den das Spiel durchziehenden Sarkasmus zu einer bühnenwirksamen Einheit zu verbinden und durch wohlüberlegte Striche die Fäden der auseinanderstrebenden Szenen, aber auch die noch nicht zusammengespielten Darsteller zusammenzuhalten. Die Tendenz des Stückes, die Sinnlosigkeit des Krieges, zumal eines Krieges um Helena, die keinem der beiden Lager zur Ehre gereichte, wurde pointiert herausgearbeitet, das Heldenepos Homers im Sinne Shakespeares entmythologisiert, die „Helden“ in ihrer menschlichen Armseligkeit, wohl differenziert voneinander, dargestellt. Wirksam unterstützt wurde die Regie von Walter Perdacher, der ein gediegen modernes, Shakespeare adäquates Bühnenbild schuf, das Verwandlungen auf offener Bühne und dadurch ein flüssiges Spiel ermöglicht. Helmut Eder steuerte eine dezente Bühnenmusik bei, die sich wie das Bühnenbild mit Andeutungen begnügt. Aus der großen Zahl der Mitwirkenden seien genannt: Herbert Kucera, der mit jugendlicher Begeisterung den Troilus als den reinen Toren spielt. Eva Manhard als Cressida redet von Liebe, kennt aber nur Lust. Ernst Schiffner ist als Pandarus der schmierige Kuppler des Ostens. Otto Burger charakterisiert überlegen den alten, geschwätzigen Nestor, während Alexander Wagner als Thersites für seine Narrenrolle den richtigen Ton eines zersetzenden Sarkasmus findet. Löste das Stück nach seiner ganzen Art zwar keine stürmische Begeisterung aus, wurde es doch in der gebotenen Darstellung gut aufgenommen.

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