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Frau Carrar in Salzburg

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Im Februar des nächsten Jahres wird auf den Bühnen des deutschen Sprachraums der 80. Geburtstag von Bert Brecht begangen werden. Der Intendant des Salzburger Landestheaters, den zu Ende dieser Spielzeit ein anderer ablösen wird, hat offenbar gerade deshalb sein Geburtstagsgedenken für den Dichter um ein Jahr vorverlegt und kurz nach der Brecht-Fassung des Moliereschen „Don Juan“ den Einakter „Die Gewehre der Frau Carrar“ angesetzt. Eine echtbürtige Tragödie zweifellos, trotz der aufdringlichen Tendenz. Aber Politik ändert sich, Kunst bleibt.

Diese Mutter Carrar, Witwe eines im Kampf gegen den Franco-Faschismus gefallenen armen Fischers, vermöchte in der Angst um ihre Söhne, in ihrem leidenschaftlichen Pazifismus, mit dem sie gegen deren Mitwirkung an dem Bürgerkrieg argumentiert, Teilnahme zu gewinnen. Aber als ihr der ältere Sohn beim Fischen von den Franco-Truppen erschossen wird, stürzt sie mit einem Male selbst hinaus an die Front des Bürgerkrieges, um auf die Söhne anderer Mütter zu schießen. Damit ist alle Erschütterung aufgehoben, wird aus der Tragödie politische Agitation.

Unter der Regie Klaus Kesslers gab es im Makart-Saal des Kongreßhauses eine packende Aufführung. Isolde Stiegler spielte die Rolle der

Teresa Carrar mit verinnerlichter Kraft, ihr verbissener Kampf um das eigene Fleisch und Blut war von überzeugender Realistik. Als ihr Bruder und Gegenspieler zeichnete Karl Schmucker einen fanatischen Revolutionär von geschulter wolfskehliger Beredsamkeit. Albert Tisal fand sich mit der Rolle des unaus-gegorenen Jose nicht ganz zurecht; sein Talent liegt zu eindeutig im komischen Fach. Wesentlich glaubhafter agierte Rosemarie Schrammet in der Uniformrolle der roten Streiterin Manuela, während Ilse Lafka der alten Frau Perez tragische Töne lieh, aber das Alter schuldig blieb. Daß Menschenfurcht die Todsünde des Priesterstandes ist, wurde von Albrecht Goetz in der Maske salbungsvoller Routine eindringlich demonstriert.

Wieviel Atmosphäre auch im kleinsten Rahmen erreichbar ist, erwies sich an dem Bühnenbild von Adi Fuchs. Das Interieur des Fischerhauses hatte die Stimmung des balladesken Geschehens. Der an den Beginn gesetzte Dialog aus den posthumen „Flüchtlingsgesprächen“ wurde von Gerhard Mörtl sehr suggestiv, von Gerhard Zemann eher univorbereitet gelesen. Diese sarkastische Einleitung mit ihren zeitkritischen Apergus gab dem Abend den Charakter einer politischen Propagandaveranstaltung, was indes gewiß nicht beabsichtigt war. Heinrich Sicking

Neue „Räuber“ in Linz

Das Linzer Landestheater bringt nun im großen Haus eine Inszenierung von Schillers „Räuber“ durch Hasso Degner, die nicht durch regieliche Exzesse wirken will, wie die Bremer Inszenierung des Peter Zadek mit Anleihen aus Comic strips und Revolverfilmen, sondern durch die Art der Besetzung neue Akzente zu setzen sucht. Dies gilt vor allem für Werner Englert als Karl Moor. Er ist nicht der stürmische Draufgänger, weder als verbummelter Student in Leipzig noch als Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit durch Mord und Totschlag, als er sich von seinem Vater verstoßen glaubt. Er verzichtet auf die Jagd nach Pointen. Trotz einer eher besinnlichen Grundhaltung fehlt es ihm an den Höhepunkten nicht an Kraft. Friedrich Großart ist als die „Kanaille“ Franz nicht der geborene Bösewicht. Seine Bösartigkeit klingt nicht immer ganz echt. Doch entschädigt er durch eine Glanzleistung, als er sein Spiel gegen Gott und die Menschen verloren sah. Dies ist um so höher einzuschätzen, als sein Gegenspieler, der Pastor Moser, von der Regie gestrichen war; eine Kürzung, die auch bei der zugegebenen Notwendigkeit von Strichen nicht vertretbar ist. Kunibert Gensichen enttäuscht als Graf von Moor. Es fehlt ihm die Kraft im Herrschen und Leiden. Dafür überrascht Regine Felden in der gefürchteten Rolle der Amalie. Sie überspielt Unglaub-w'Wdigkeiten der Rolle und bringt de Schlußszene zu erschütternder Dramatik. Man glaubt ihr die Liebe, die alles verzeihen kann. Hubert Mann zeigt als Spiegelberg mehr dessen pfiffig-komisches als intrigant-gefährliches Wesen. Als Räuber bilden ein gut zusammenspielendes Ensemble die Herren Scheibler, Jager, Zeller, Arndt, Stefan und Jaksch, dem man freilich den niederträchtigen Scbufterle schwer glauben kann. Peter Uray ist ein zahmer Korinsky, Otto Hans Meinecke ein ausgezeichneter Diener Daniel. Volker Krystoph liegt der edle Teil der Rolle des Hermann besser als der schurkische. Josef Loibl hält eine „Kapuzinerpredigt“, obwohl der Theaterzettel der “Uraufführung von einer „Magistratsperson“ spricht, aus der später ein „Pater“ wurde. Hannes Rader schuf ein Bühnenbild, das die Stimmung vorbildlich ausdrückt und einen raschen Umbau ermöglicht; Professor Helmut Eder eine im Tonband verstärkte Zwischenmusik auf Cembalo, die dem hochdramatischen Text nicht immer homogen sein kann. Der Beifall des Premierenpublikums war anhaltend und stürmisch.

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