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„Wildente“ und „Rauhnacht“ in Linz

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In der Tragikomödie „Die Wildente“, die in den Linzer Kammerspielen aufgeführt wird, rückt Ibsen von seinem früher vertretenen Wahrheitsfanatismus ab und zeigt, welchen Schaden dieser anrichten kann. Albert Lippert verwendet in seiner Regie die Bühnenbearbeitung von Olaf Stjeter. Die Überraschung der Linzer Aufführung ist die junge Sylvia Goetzloff als 14jährige Hedwig. Obwohl sie erst am Anfang ihrer Ausbildung steht, wurde dank der Führung Lipperts der Versuch zu einem ausgesprochenen Erfolg. Man glaubt ihr die kindliche Liebe und das unbedingte Vertrauen zu dem so wenig idealen Vater, aber auch die erschütternde Enttäuschung, als dieser sich von ihr abwendet. Den sturen Wahrheitsfanatiker Gregor Werle, der mit innerer Befriedigung das so bescheidene Glück der Familie Hjalmars zerschlägt, arbeitet

Werner Englert profiliert heraus. Manfred Scheibler bringt als Virtuose der Lebenslüge unaufdringlich den satirischen Ton zur Geltung. Ausgezeichnet ist Elfriede Gollmann als Frau Gina. Sie läßt ihren unfähigen Mann mit verkehrt proportioniertem Geltungstrieb nicht spüren, welcher Abstieg es von der Freundin des Großkaufmanns zur Frau des lebensuntüchtigen Photographen war. Wie anders ihr Leben war, zeigt Frau Sörby als ihre Nachfolgerin beim alten Werle, die selbstsicher von Isabella Ott dargestellt wird. Georg Matthes gibt dem Konsul Werle das Gehaben eines erfolgreichen Geschäftsmannes, der seinen schlechten Charakter hinter einer gleißenden Fassade tarnt. Eine wirksame Charaktertype gelingt Volker Krystoph als Arzt Reling, der Gregor die Maske des Weltverbesserers vom Gesicht reißt, dem Scharlatan Hjalmar die Erflndermaske aufsetzt. Trotz Pehlbesetzung holt Ludwig Geiger aus der skurrilen Rolle des alten Ekdal das ihm Mögliche heraus. Mit guten Leistungen in kleinen Rollen seien genannt die Herren Skotton, Stefan rpd Meinecke„ Stück und Aufführung wurde begeisterter Beifall gezollt, der noch anschwoll, wenn er Sylvia Goetzloff, Elfriede Gollmann und Albert Lippert galt.

Ein Jahr nach Richard Billingers Tod wird sein bėkanntestes Werk, „Die Rauhnacht“, in Linz erstaufge- führt. Der Schauspieldirektor Alfred Stögmüller führt über ein Massenaufgebot von Mitwirkenden Regie, zumal Land und Stadt einen Sonderbeitrag gestiftet hatten. Die Ausstattung besorgte in Anlehnung an die für die Uraufführung in München geschaffenen Blätter Alfred Kubins Hermann Fleisch. Die Masken und Kostüme für das Rauhnachtspiel entwarf Prof. Walter Ritter. Eine unaufdringliche Bühnenmusik schuf Prof. Helmut Eder. Trotz des ungewöhnlich hohen Einsatzes und des tragischen Endes kann das Stück kaum mehr erschüttern. Man sieht einem gespenstigen Theater mit mehr oder weniger — besonders wenn Längen spürbar werden — Interesse ziu. Stögmüller ist bestrebt, das Stück bis in die kleinsten Episoden wirksam zu gestalten. Als Kreszenz kann zwar Regine Felden nicht jede brüchige Stelle der Rolle überspielen, aber doch das Unwahrscheinliche daran einigermaßen glaubhaft machen. Ähnlich geht es Volker Krystoph mit der Rolle des Simon Kreuzhalter, der Geistlicher werden sollte, als Laienbruder in die Missionen ging, sich aber dort sichtlich mehr um die orgiastischen Feste als um deren Bekehrung kümmerte und zurückgekehrt als Bauer leben will. Eine handfeste und ehrsame Dorfkrämerin stellt Elfriede Gollmann profiliert auf die Bühne. Man glaubt ihr die Sorge um ihren Sohn Alexander, der schwer versehrt aus dem Kriege heim kam, und nun dem Leben abgewinnen will, was ihm eben erreichbar ist. Manfred Jaksch spielt ihn mit großer Eindringlichkeit. Mit sympathischer Zurückhaltung gibt Liesl Jaksch die Ladnerin Cille, resolut Eike Baum die Stallmagd. Eine Überraschung bereitet die Nachwuchsschauspielerin

Anita Milleder in der schwierigen Rolle der schwachsinnigen Fischerstochter. — Der erst zögernde Beifall entwickelte sich zu einer starken Dankeskundgebung für die Leistungen aller Beteiligten.

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