Tragödie eines Kindes

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Gertrud Drassl ist die Entdeckung der Josefstadt-Inszenierung von Ibsens "Wildente".

Macht die Wahrheit frei, wie es in der Bibel heißt? Ist sie dem Menschen zumutbar, wie Ingeborg Bachmann es formulierte? Ist der Versuch, in der Wahrheit zu leben, von dem Vaclav Havel sprach, nicht häufig zum Scheitern verurteilt?

Henrik Ibsens Drama "Die Wildente", gerade neu inszeniert am Wiener Theater in der Josefstadt, wirft solche Fragen auf. Der Wahrheitsfanatiker Gregers Werle will ein "ungewöhnlich tüchtiger Hund" sein, "der Wildenten bis auf den Grund nachspürt". Er agiert aber eher als Esel, der so lange das Gras abfrisst, das über eine peinliche Sache gewachsen ist, bis es zur Katastrophe kommt. Dann sind bei Familie Ekdal nicht nur die sprichwörtlichen alten Leichen im Keller frei gelegt, sondern es gibt auch noch eine echte frische Leiche auf dem Dachboden.

Im zu Herzen gehenden Leiden des Kindes am Konflikt der Eltern ist das Stück von ungeheurer Aktualität. Gleiches gilt für seine Thematisierung der "Lebenslüge", jener Illusionen und Träume, mit denen sich die meisten ihr Dasein erträglich machen, deren Aufdecken aber vielen offenbar doch nicht zumutbar ist.

Die Inszenierung von Dietmar Pflegerl ist völlig konventionell, aber sehr dicht und weist fast nie Längen auf, grundsolide wirkt auch das Bühnenbild von Bernd Dieter Müller - gleichsam wie "Norwegian wood". Man könnte die Aufführung sehr respektabel nennen, wäre da nicht als zusätzliches Plus die junge Gertrud Drassl (Hedwig), die in Freude, Leid und Verzweiflung so berührend und echt eine 14-Jährige auf die Bühne stellt, dass man ruhig von einem neu aufgegangenen Stern am Wiener Theaterhimmel sprechen kann. Heinz Trixner (Der alte Werle) und Herbert Föttinger (Gregers) geben jeder auf seine Art gekonnt die zerstörerischen Charaktere des Stückes. Peter Scholz (Hjalmar) zeigt mit grandiosem Einsatz, wie komisch Tragik wirken kann. Eugen Stark (Der alte Ekdal), Brigitte Karner (Gina), Marianne Nentwich (Berta Sörby) und Toni Slama (Dr. Relling) erfüllen weit mehr als die in sie gesetzten Erwartungen.

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