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Die Wildente

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Eine eindruckstarke Aufführung in der Josefstadt. „Die Wildente“ zeigt hier Ibsens einzigartige Stärke, von der viele Nachahmer und Epigonen zehren Und wer von den Dramatikern des modernen Theaters, gerade auch des amerikanischen Seelendramas und der gesellschaftskritischen Tragödie, ist nicht, bewußt oder unbewußt, ein Epigone dieses Mannes? Das spürt man an dieser Aufführung, die verhalten, leise bohrend, ein großes Anliegen Ibsens plastisch und drastisch sichtbar macht, das ihn mit Nietzsche, Marx, mit den ersten Ideologiekritikern des 19. Jahrhunderts Verbindet. Alles steht und fällt da mit der Auffassung des jungen Gregers Werle und seines Opfers Hjalmar EkdäI. In manchen Aufführungen ist dieser junge WerleV der es da unternimmt, seinen gescheiterten, schwächlichen Studienfreund Hjalmar seiner *> Lebenslüge“ ia entreißen, eben ein junger Idealist, der da eben scheitert, wie es des Edlen Lauf in der Welt ist. .■. Diesem an sich liebenswerten Jüngling entspricht, ebenfalls liebenswert, der junge Hjalmar, ein netter Junge,, der eben ein wehig schwach ist und diese seine Schwäche recht gut erträgt.

Nichts von diesen falschen Freundlichkeiten in der Neuinszenierung der Josefstadt. Erik Frey gestaltet erbarmungslos, in bedeutungsvoller Maske des Schwächlings, „unseren“ Hjalmar als den Mann, der sich in seihe Träume und Genüsse verspinnt,Frau und Tochter für sich arbeiten, opfern, leiden läßt, um als Rechthaber aufzutrumpfen, wo- immer sich die Möglichkeit bietet. Helmuth lanatsch formt, als Gregers Werle, die zweite Seite dieses Mannes aus, die Kehrseite derselben Medaille: sein Fanatismus ist ebenso ichversponnen, lieblos, kontaktunfähig und menschenfeindlich wie die larmoyante Schwäche Hjalmars. Man unterschätze Ibsen und seine „Wildente“ nicht! Hier wird, meisterhaft an einem engen Sujet, ein ganz großes Thema exemplifiziert: Gericht über den Mann. Ueber den männischen, egozentrischen, im ersten und letzten nur sich selbst, wollenden Mann. Der Frau und Kind verderben läßt und sich durch nichts aus seinem Gehäuse locken läßt. Der alte Ekdal (Anton Edthofer) unterstreicht dieses Gericht noch: dieses Jammerbild eines Vaters zittert über die Bühne, um nachdrücklich zu demonstrieren, wie auch die höchste natürliche' Würde des Mannes, sein Vatertum, in Narrheit und Verblendung untergeht. Irr, verständnislos steht er in seiner alten Uniform neben dem Leichnam der kleinen Hedwig (Chariklia Baxevanos). — Ausgezeichnete Besetzung der „kleinen“ Rollen Relling, Molvik, Frau Sörby: Hinz Fabricius, Georg Hartmann, Gretl Elb.

Die Josefstadt hat mit diesem Stück und dieser Aufführung aufs beste ihren eigenen Ton getroffen.

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