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In Linz: Ustinov, Mrozek und Lorca

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Peter Vstinovs ^Biographisches Abenteuer: Endspurt“, über dessen Aufführung im Akademietheater in der „Furche“ Nr. 2/1963 berichtet wurde, ist nun auch in den Linier Kammerspielen zu sehen. Ernst Ernsthoff ist als Regisseur bemüht, die Akzente richtig zu setzen, läßt aber sonst den allerdings bewährten Schauspielern weitgehend Freiheit, zumal er selbst als 40jähriger Sam Kinsale erfolgreich am Spiei beteiligt ist, Otto Burger vermehrt mit seinem 80jährigen Sam die Reihe seiner vorbildlich gestalteten Rollen. Der Wert seiner Bühnengestalten besteht vor allem darin, daß sie nicht auf äußeren Effekt angelegt sind, sondern von innen heraus überlegt aufgebaut werden. Wie er einen ans Kindische grenzenden Starrsinn mit männlicher Kraft vereint und trotz Bindung an einen Rollstuhl beweglicher, ja sympathischer Mittelpunkt des Spieles bleibt, wird ihm nicht leicht jemand nachspielen. Bestens unterstützt wird er von Elfriede Gollmann als Stella, die als Frau in den besten Jahren und werdende Mutter ebenso Herzenswärme zeigt wie als 80jährige Betreuerin ihres eigensinnigen Mannes keifende Betulichkeit. Mit guten Leistungen sind in größeren Rollen noch eingesetzt die Damen Jenisch, Hanke und Buchegger sowie die Herren Matthes, Jaksch und Döring. Heinz Köttel schuf ein einstimmendes Bühnenbild.

Das Linzer Ketlertheater begann sein zehntes Spieljahr mit der Satire von Sla-womir Mrozek JOie PolizeV. Was das Stück, einen in drei Akte gegliederten Sketch, für uns interessant macht, ist weniger sein Inhalt als die Tatsache, daß ein so unverhüllt, ja mit Brisanz vorgetragener Angriff gegen das totalitäre Polizeiregime in Polen aufgeführt wird. Hans Hamberger unterstreicht in der Regie das Groteske der Situation. Ihm steht zur Ausführung ein vortreffliches Quartett von Polizisten beziehungsweise von gewesenen und werdenden Revolutionären zur Verfügung: Helmut Ortner als dienstbeflissener Polizeidirektor, Helmut H. Ecker als zur Erkenntnis kommender Provokateur, Othmar Jantscher als vorsichtiger Polizeigenettl, Kurt Siegmar als zynischer Revolutionär Und Fachmann zu deren Bekämpfung. Beide Aufführungen wurden mit verdientem starkem Beifall bedacht.

Nach dem mit großem Erfolg aufgeführten „Nachfolger“ von Raffalt brachten die Linzer Kammerspiele die „Frauentragödie in spanischen Dörfern: Bernarda Albas Haus“ von Federico Garcia Lorca, die er etwa einen Monat vor seiner Ermordung durch die Falange Esnafiola vollendet hatte. Es handelt sich um eine schonungslose Anklage gegen die Verlogenheit einer gesellschaftliehen Moral, gegen die Herzenshärte und auch gegen die Einstellung, die sich als christlich gibt, tatsächlich aber einem heidnischen Denken mit formaler Sippenehre und Blutrache verfallen ist. Die Linzer Aufführung unter Ernst Ernsthoff, unterstützt durch ein werkgereichtes, einstimmendes Bühnenbild von “Paul-Struck, erreicht das von Lorca gesetzte Ziel, nicht Mitleid zu erregen, sondern anzuklagen und zu erschüttern. Themen-und spielmäßig an der Spitze steht Elfriede Gollmann, die als Bernarda Alba keine leidenschaftliche Megäre auf die Bühne stellt, sondern in holzschnittartigen Konturen die personifizierte Härte. Margit Reber als Angustias versteht es, betont unscheinbar Gelassenheit und leidenschaftlichen Behauptungswillen, sobald ihre Hoffnung auf Erlösung aus dem Familienkerker und auf frauliche Erfüllung bedroht ist, glaubhaft zu vereinen. In einer durchgearbeiteten Charakterstudie meistert Uta Wagner die Rolle der von der Natur benachteiligten, mißgestalteten, ränkesüchtigen Martirio. Mit der dritten im Quintett der Töchter, der jüngsten, anmutsvollen Adela, die den Ausbruch mit dem Tode bezahlt, ist die junge Marina Ahlsen derzeit noch stark überfordert. Erna Korhel als Gast ist eine profiliert dargestellte Beschließerin. Da auch die kleinen Rollen vollwertig besetzt sind, konnte sich das Publikum der starken Wirkung der Tragödie nicht entziehen. Das mag der Grund sein, daß der Beifall, den die Darsteller regungslos stehend entgegennahmen, gedämpfter klang als Stück und Leistung verdienen.

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