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Alles wird Spiel

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Clownspässe können ungleich mehr bieten als nur Klamauk, wenn in ihnen blitzartig Hintergründiges aufleuchtet. Ja, das Clowndasein selbst vermag zu einem Sinnbild menschlicher Existenz zu werden. Dies darzustellen, hat merkbar der tschechische Dramatiker Pavel Kohout in seinem Stück „August August August“ versucht, das im Akademietheater rar deutschsprachigen Erstaufführung gelangte.

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Clownspässe können ungleich mehr bieten als nur Klamauk, wenn in ihnen blitzartig Hintergründiges aufleuchtet. Ja, das Clowndasein selbst vermag zu einem Sinnbild menschlicher Existenz zu werden. Dies darzustellen, hat merkbar der tschechische Dramatiker Pavel Kohout in seinem Stück „August August August“ versucht, das im Akademietheater rar deutschsprachigen Erstaufführung gelangte.

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Kohout führt diesen August, der auch noch mit seinem Vor- und Familiennamen August heißt, ausschließlich in der Manege vor, nur wenige andere Zirkusnummern werden zwischengeschaltet. Er ist also kein Mensch mit Privatleben, sondern eine Personifizierung des Clowndaseins. August möchte Direktor werden, er hat den sehnlichen Wunsch, Lipizzaner vorzuführen, er will höher hinaus. Dazu muß er Bedingungen erfüllen, was ihm teilweise gelingt, aber knapp vor der Schlußparade erscheinen nicht die erwarteten Lipizzaner, der Direktor läßt einen Tiger auf ihn, auf die Clownsfrau, auf August junior los. Ständig Ohrfeigen zu erhalten, statt Wünsche erfüllt zu sehen, das ist im Dasein des Clowns die pessimistische Parallele zum menschlichen Leben. Doch vom Tiger gefressen zu werden, ist schon nicht mehr Clownschicksal, da versagt die Parallele, das ist das Los des Menschen, falls der Tiger das Schicksal versinnbildlicht. Allerdings hat der Schluß nun, vom Autor unerwartet, aktuelle politische Bedeutung erlangt. Man denkt an die Ereignisse des vergangenen Sommers in der Tschechoslowakei ...

Doch bleiben diese sinnbildlichen Bezüge sehr dünn, Kohout füllt das Stück mit billigem, allzu billigem Klamauk auf. Die Impression Zirkus wird durch Jaroslav Dudek als Regisseur und Zbynek Kolar als Bühnenbildner trefflich erreicht. Josef Meinrad vor allem, aber auch Inge Konradi, Erich Aberle und Ernst Ander überzeugen durchaus als Clowns. Bei Fred hiewehr als Direktor und Hanns Obonya als Stallmeister spürt man Manegeluft. Zirkusmusik fehlt nicht, sie leitet Hans Totzauer.

Frauen wollen immer noch umworben sein, trotz aller Versachlichung in den Beziehungen der Geschlechter. So exemplifiziert die Komödie „Wie im Theater“ von Franchise Dorin, deren deutschsprachige Erstaufführung im Kleinen Theater der Josefstadt erfolgte, einen weiblichen Wunschtraum. Als Frangoise heimkehrt, findet sie in ihrer Wohnung einen fremden Mann, der vorgibt, der Held einer Liebeskomödie zu sein, die sie beide nun spielen werden. Mit viel Überraschungen gelingi die Bezauberung. Da aber ihr ehemaliger Mann als Autor die Komödie mit dem „Helden“ lange vorbereitete, um seine Frau wiederzugewinnen, läßt diese doppelte Bemühung ihr Herz begreiflich höhei schlagen. Dramaturgische Artistil führt das liebenswürdig gestrig wirkende Stück zum Wunschtraumschluß. Allerdings agieren da nich Menschen, sondern Komödienfiguren die ein Feuerwerk entzünden, das gegen Schluß hin verpufft. Die Qualität der trefflichen Regie von Friedrich Kallina wird nicht durch die Besetzung gestützt: Dinah Hinz und Herbert Kucera entsprechen als Darsteller der beiden Hauptgestalten keineswegs voll vom Typ her. In weiteren Rollen des Vierpersonenstückes wird Dietlind Macher unberechtigt zur Schwankfigur, wirkt Volker Brandt passabel.

Paul Partner hat sogenannte „Mitspiele“ geschrieben, bei denen das Publikum aktiv an der Aufführung teilnimmt. Das früheste dieser Stücke, „Scherenschnitt“, sieht man derzeit im Theater der Courage.'In einem Friseurladen werden vom Friseur und einer Friseuse zwei Kunden bedient, während im Oberstock ein Mord geschieht. Nur die vier Anwesenden kommen für die Tat oder für Beihilfe zur Tat in Betracht, um so mehr, als drei von ihnen während dieser Zeit die beiden Räume kurz verließen. Der Kommissar, der die Untersuchung führt, veranlaßt die Zuschauer, abzustimmen, wen sie für den Mörder halten. Danach wird die Handlung so weitergeführt, daß sich die durch Stimmenmehrheit der Tat bezichtigte Figur tatsächlich als Täter erweist. Es müssen daher vier verschiedene Lösungen einstudiert werden, es muß vier mögliche Täter geben. Bei der Premiere ging die Friseuse aus der Abstimmung als mutmaßliche Mörderin hervor. Unter den Darstellern hebt sich vor allem Rosemarie Thon in dieser Rolle heraus. Aber auch Walter Benn als gewandter Kommissar und die übrigen Mitwirkenden bieten unter der geschickten Regie von Gottfried Schwarz beachtliche Leistungen. Das Finden von Indizien, die Abstimmung bereiten dem Publikum viel Spaß. Die Zuschauer werden hier aus ihrer sonstigen Passivität herausgerissen.

Das „theater creativ“ führt im „Würfel“ das skandalumwitterte Sprechstück „Der Bart“ des Amerikaners Michael McClure vor. Dieses verbale Gedankenspiel als Sexschocker zu bezeichnen, ist verfehlt, schockieren kann lediglich das Verwenden vulgär-sexueller Ausdrücke. Entindividualisiert werden zwei Massenidole der dreißiger Jahre vorgeführt, die Sexbombe Jean Har-low und der romantische Verbrecher Billy the Kid, die beide Personifizierungen darstellen: klischeehafte weibliche Schönheit, männlicher Machtanspruch. Die scharfe Spannung zwischen ihnen löst sich in der Vorstellung, göttlich zu sein, indem man tun könne, was man wolle, so daß jeder in schrankenloser Freiheit durch den andern zur Selbstverwirklichung gelangt. Das freilich ist eine höchst naive, nahezu puber-täre Wunschvorstellung. Totale Freiheit führt zum Verbrechen, sie gibt es nur auf Kosten des anderen, das hat Camus im „Caligula“ gezeigt. Die jungen Leute, die dieses Stück mit merkbarer Begeisterung vorführen, haben aus dem Grauen unseres Jahrhunderts ebensowenig gelernt wie der Autor. Jutta Schwarz vom Volkstheater und der Münchner Maler Bernhard Plattner sind die beiden Sprecher, Götz Fritsch war als Spielleiter vor allem auf Bewegungsregie bedacht. Peter H. Jurkowitsch entwarf das Bühnenbild, eine Art Höhle mit Wänden aus glitzerndem Stanniol.

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