6789379-1970_28_14.jpg
Digital In Arbeit

Komödiantisch bis höllisch

Werbung
Werbung
Werbung

Klabund meinte, Christopher Marlowe reiche Shakespeare bis mindestens an die Schulter. Das erweist die Szenenfolge „Die tragische Historie vom Dr. Faustus“, die derzeit vor Prandtauers großartiger Fassade der Melker Stiftskirche gespielt wird, keineswegs. Dieser Faust, der eingangs ungeheuren Machtwillen bekundet, setzt die ihm durch den Teufelspakt verliehene magische Kraft ausschließlich für szenisch sehr wirksamen, aber reichlich läppischen Klamauk ein. Die Gestalt schrumpft im Verlauf der Begebenheiten mehr und mehr. Doch gibt es Stellen, die nicht nur den Szeniker, sondern auch den Dichter bekunden: Vor Strind-berg, vor der Variation durch Sartre, heißt es da, wir seien bereits in der Hölle; im ständigen Aufkommen der Reue, besonders am Schluß, unterbricht Marlowe die Oberflächenschicht der Aktion. Gespielt wird unter der handfesten, dem Stück entsprechenden Regie von Peter Janisch vor und auf einer breiten Stufenanlage. Wolfgang Gasser gibt diesem etwas primitiven Faust nachdrückliche Kraft. Mehr als zwei Dutzend Darsteller. Karl Maria Grimme

Georges Feydeau ist en vogue: Was immer der raffinierte Szenenkonstrukteur an Komödien, Lustspielen, Farcen und Schwänken ersonnen haben mochte, es wird ausgegraben, entstaubt und in Szene gesetzt wie eben jetzt der von Mario Hindermann übertragene „Monsieur Chasse“ oder „Wie man Hasen jagt“, ein Stück, dessen sich Arch. Prof. Hannes Sandler und seine Friesacher Burghofspieler zu aller Ergötzen angenommen haben.

Das Thema ist bei Feydeau zumeist gegeben: ein Gatte, der ein Seitensprünglein riskiert, eine Gattin, die ihm auf die Schliche kommt und Rachegöttin spielen möchte, ein Hausfreund, dem die Ehebruchrechnung nicht aufgeht. Und zuletzt ein toller Wirbel. Immer neue Überraschungen und Verwicklungen und schließlich eine Lösung, die man bei aller Frivolität fast moralisch nennen könnte: es ist nichts passiert, es sei denn, daß man in vorliegendem Falle den von Haus aus prädestinierten Hahnrei Cassagne als Opfer der Unmoral ansehen möchte.

Diesmal ist Jagd der Vorwand, Wildbrethändlerware die Jagdbeute, ein vom Zufall gesetzter Hosenverlust und -tausch der Anlaß zu schadenfrohem Gelächter, das im Publikum seine Resonanz findet. Das Tempo ist gegeben und wird in richtiger Dosierung bis zu den Reimworten des angefügten Epilogs beibehalten, der vor den zu Schaubudenfiguren erstarrten Darstellern gesprochen wird. Wie immer hat Sandler ganze und umfangreiche Arbeit geleistet: er hat mit Umsicht und immer mit dem Blick auf die der Freilichtbühne gemäße Wirkung inszeniert, das Bühnenbild geschaffen und selber die Hauptrolle des abenteuerlüsternen „Jägers“ Duchotel mit Verve und jener vis comica gespielt, die den Erfolg verbürgt. Ihm zur Seite der enttäuschte Hausfreund Moricet (Josef Schuhmeier), die beinahe untreue Leontine (Irene Schuhmeyer), die schlampig-vornehme Madame Latour (Heidelore Millonig), der urkomische Gontran Herrnsteins. Und nicht zuletzt der gehörnte Cassagne Heinz Köppls. Muster einer fast polizeiwidrigen Begriffsstutzigkeit. Das begeisterte Publikum hatte gut und leicht lachen; der Petersberg hat sein Zugstück. Georg Drozdowski

Von dem in Rom lebenden Italiener Aldo Nicolai wurden schon mehrere Bühnenwerke in Wien uraufgeführt. Ein Gastspiel der Schweizerin Ingeborg Brun bringt derzeit im Theater im Palais Erzherzog Karl drei Einakter für eine Darstellerin, wovon aber am zweiten Abend lediglich einer, „Wasser und Seife“, zur Aufführung gelangte, da nicht mehr als vier Zuschauer anwesend waren. Es kann nur hierüber berichtet werden. Seltsamer Fall: Eine zu lebenslänglichem Zuchthaus Verurteilte hat während des Krieges aus krankhaft-tem Sauberkeitsfanatismus, aus Abscheu gegen die übrigen als „Schmutzfinken“ bezeichneten Menschen gemordet, um aus dem Fett ihrer Opfer Seife zu bereiten. Nun ist sie glücklich, sie kann sich jederzeit waschen, das Zuchthaus empfindet sie als Belohnung für ihre Reinlichkeit. Ein Einzelfall? Werte werden problematisch, wenn man sie übersteigert. Ingeborg Brun gelang eine überzeugende Darstellung dieser Gestalt.

Der in England lebende Australier Peter Yeldham erzählt, wie er zu dem Grundeinfall seiner Komödie „Zugvögel“ kam, die jetzt als Sommerstück im Volkstheater gespielt wird: In einer Bar bemerkte er, daß der Ober seine Frau im Nerzcape aufmerksamer bediente als eine andere Dame seiner Gesellschaft. Sie wechselten die Bar, nun trug diese Dame den Pelz, worauf ihr die Bevorzugung zuteil wurde. So nun führt der Autor ein weibliches Hochstaplerpaar vor, das sich in den Nobelhotels von New York, Paris, Rom bis Tokio einnistet, wobei jeweils wechselnd eine der beiden attraktiven Betrügerinnen eine hochgestellte Dame, die andere die Sekretärin oder Zofe spielt. Versteht sich, daß ein männlicher Edelganove hinzustößt und die nunmehrige Dreiecksbeziehung nicht nur den gemeinsamen Fischfang betrifft.

Gefinkelte Routiniertheit des Autors zeigt sich am Werk, er preßt heraus, was sich nur herauspressen läßt. Dennoch bleibt das Ergebnis dürftig. Hinzu kommt, daß das Volkstheater für Boulevard nicht die geeigneten Darsteller hat. Unter der Konfektionsregie von Hans Rüdgers wirkt Christine Buchegger unbeholfen geziert, die drollige Dolores Schmidinger wird in dieser Rolle verheizt. Kurt Liederer spielt den Partner gewandt, es fehlt aber auch ihm die Ausstrahlung.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung