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Glücksfall und Reinfall: "Der Theatermacher" und "Hamlet" - zwei Linzer Inszenierungen.

Ein Glücksfall: In den Linzer Kammerspielen hat der deutsche Regisseur Ingo Kerkhof Thomas Bernhards "Der Theatermacher" inszeniert. Da er die Figuren ernst genommen hat, gelingen seiner subtilen Personenführung fein differenzierte Charakterzeichnungen in einem dicht gewebten Beziehungsgeflecht. Kerkhof konzentriert seine Regie auf die brüchige, eigentlich verzweifelte Situation der tingelnden Schauspielerfamilie, die da im Wirtshaus "Schwarzer Hirsch" in "Utzbach" die Uraufführung der Menschheitskomödie ihres despotischen Vaters vorbereitet. Darüber hinaus zeigt Kerkhof in der wunderbar stimmigen Ausstattung von Anne Neuser das zur Groteske geratende "Spiel im Spiel", wie es vor einer Vorstellung zugeht, zugehen könnte: Ein kleiner Kosmos im großen des Wunders "Theater", das sich allabendlich neu ereignet.

Die ausnahmslos optimal besetzten Darsteller sind: Sven-Christian Habich als schwadronierender "Staatsschauspieler" Bruscon, ein tragikomischer Großkotz, der letztlich sich selbst seine Selbstzweifel und Verletzlichkeit eingesteht; Eva-Maria Aichner als seine Frau, deren Lungenkrankheit er als Hypochondrie abtut; sowie Bettina Buchholz als gehorsame Tochter Sarah, die ihren Frust in einem grotesken Tanz mit der Puppe Hitlers, einer Requisite in dem Stück ihres Vaters, auslebt. Martin MüllerReisinger als Sohn Ferruccio und Sigrun Schneggenburger als Wirt erinnern mit ihren komödiantischen Kabinettstückerln an beste Stummfilmszenen. Einschließlich der melancholisch zarten Musikzuspielungen ist es eine Inszenierung des langen Atems und vieler leiser Töne.

Der Reinfall: "Hamlet" im Großen Haus des Linzer Landestheaters . An Shakespeare teilweise vorbei inszeniert hat Gerhard Willert nach der von ihm selbst verfassten Übersetzung, die zwar im Hinblick auf Genauigkeit und Geschmeidigkeit zu Kritik herausfordert, aber der wesentlich an Äußerlichkeiten orientierten Produktion entspricht. Die dafür von Florian Parbs errichtete Tribüne aus hohen Stufen in Gelb, die vom Graben bis zum Schnürboden reicht, hat im Wechselspiel von Licht und Schatten ihre eigene Ästhetik. Mit dieser Bildkomposition korrespondiert der malerische Reiz der von der italienischen Frührenaissance inspirierten Kostüme. Statt der Auftritte und Abgänge hüpfen, springen oder rollen sich die Akteure zumeist von Stufe zu Stufe, wobei sich Karl M. Sibelius in der Titelrolle als durchtrainierter Spitzensportler und am Ende auch als exzellenter Fechter erweist.

Hamlet - wer zählt seine Facetten, seine möglichen Interpretationen? In dem sensiblen Sibelius haben wir einen gewitzten Hamlet von unberechenbarem Temperament und der Aura eines charismatischen Popstars vor uns, dem die Regie zu wenig Zeit zu mitunter denn doch erforderlicher Kontemplation lässt. Die berühmte Frage "Sein. Oder? ..." wird buchstäblich verschleudert. Seine sarkastischen bis zynischen Bemerkungen aber sitzen. Das Königspaar: Lutz Zeidler zeigt als Brudermörder Claudius glaubhaft seine vergeblichen Bemühungen um Reue und auch Verena Koch als Gertrude kann ihre Zerrissenheit und Schuldgefühle vermitteln. Folgt man der im Programmheft zitierten Freudschen Traumdeutung von Stiegen und "Steigen" als Koitussymbol, so lag es wohl in der Intention der Regie, dass Thomas Kasten, ein köstlich liebedienerischer Polonius, von verdächtig pädophilen Gefühlen übermannt zu werden droht, als er seine Tochter Ophelia (Isabella Szendzielorz) abküsst; und dass diese Ophelia, die "einzig Reine" am verderbten dänischen Hof, im Wahn zur Hamlet begrapschenden, schrillen Nymphomanin mutiert. Willert hat stellenweise sogar ausgestorben geglaubtes Pathos zugelassen. Der eigenwillige Schluss verpufft wirkungslos: Nicht nur, dass statt des kraftvollen jungen Fortinbras ein zarter Kindkönig mit dünnem Stimmchen (Emil Pitz) auftritt, rezitiert Horatio (Heiner Take) die von Willert in neuer (eigener?) Übersetzung angehängten ersten Zeilen der "Four Quartets" von T.S. Eliot als "Epilog". Schade um eine vertane Chance und die guten schauspielerischen Leistungen.

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