Erfolg, dein Name ist Lester

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"The Tragedy of Hamlet" begeistert als Festwochengastspiel im Wiener Museumsquartier.

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"The Tragedy of Hamlet" begeistert als Festwochengastspiel im Wiener Museumsquartier.

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Kein Vorhang hebt sich, der Schauplatz liegt von Anfang an offen vor dem Publikum: ein quadratischer orangefarbener Teppich, darauf einige Pölster und Sitzmöbel vor schwarzem Hintergrund. "The Tragedy of Hamlet" nimmt in englischer Sprache ihren Lauf. Ein Musiker (Toshi Tsuchitori) begleitet einfühlsam das Geschehen, die Bühne wird in jeder Szene ins gerade passende Licht (Philippe Vialatte) getaucht. Das Spiel kommt mit ein paar Requisiten aus. Es dominieren die in geschmackvolle Kostüme (Chloe Obolensky) gekleideten Akteure und mit ihnen die Worte des Dichters.

Da ist nichts faul im Staate Dänemark - selbiges Zitat hat Regisseur Peter Brook übrigens gestrichen und gleich die politische Dimension von Shakespeares Meisterwerk weitgehend ausgeblendet. Seine Bearbeitung schält den menschlichen Kern des Dramas heraus, die Frage nach Sein oder Nichtsein (der berühmte Monolog ist später als sonst zu hören). Unwillkürlich erinnert man sich an die kürzlich wieder aufgerollte Theorie, Shakespeare sei ein "Kryptokatholik" gewesen, der offenbar selbst an vieles zwischen Himmel und Erde glaubte, von dem unsere Philosophie nicht mehr zu träumen wagt.

Die Zuschauer schweben die nicht ganz zweieinhalb Stunden im Wiener Museumsquartier in pausen- und atemloser Stimmung und Spannung und reagieren natürlich besonders, wenn bekannte Zitate oder zweideutige Ausdrücke wie "ecstasy" fallen. Doch weder der Reiz der fremden Sprache und die damit verbundene höhere Aufmerksamkeit noch die internationalen Vorschusslorbeeren erklären zur Gänze den Zauber, der von dieser Gastspiel-Produktion ausgeht.

Es liegt zunächst daran, mit welch einfachen Mitteln Brook, als Jahrgang 1925 der gegenwärtige Altmeister des britischen Theaters und seit Jahrzehnten ein Verfechter des "leeren Raums", arbeitet. Mit einer im besten Sinn "multikulturellen Besetzung" von nur acht Personen - teils in mehreren Rollen - macht er den Hamlet-Stoff als Weltliteratur erfahrbar. Dieses Dänemark ist ortlos und zeitlos, denn keinem Land sind Themen wie Macht, Sinn, Liebe und Tod fremd, und der Wahnsinn hat überall Methode.

Erfolg, dein Name ist in diesem Falle nicht nur Brook, sondern auch Lester. Der im Rasta-Look über die Bühne wirbelnde "schwarze Hamlet" Adrian Lester beherrscht alle Register der Schauspielkunst, setzt gekonnt jede Geste und jedes Mienenspiel und wirkt zugleich wie ein moderner junger Mensch, intelligent und vital, seine Verletzlichkeit geschickt verbergend. Insgesamt ein Hamlet, der weniger an sich als an der Welt zweifelt und verzweifelt, ein fürwahr edler Geist, der hier zerstört wird.

Der kraftvolle Jeffery Kissoon (Claudius, Geist), der witzige Bruce Myers (Polonius, Totengräber), die vielseitigen Naseeruddin Shah (Rosenkranz, Erster Schauspieler) und Rohan Shiva (Güldenstern, Zweiter Schauspieler, Laertes) sowie der treuherzige Scott Handy (Horatio) stellen die weniger Emotion zeigenden Damen - Natasha Parry (Gertrud) und Shantala Shivalingappa (Ophelia) - ein wenig in den Schatten.

"Who's there?" fragt Horatio zu Beginn, als er den Geist von Hamlets Vater erblickt. Am Ende wiederholt er als einziger Überlebender diese Worte, und die Toten des Stückes erheben sich und schließen sich stumm dieser Frage nach dem Sinn des Lebens an. Der Rest ist Beifall.

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