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Vor allem große Sänger

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Der Schallplattenmarkt bietet auf dem Sektor der Oper immer wieder auch das eine oder andere „Gustostückerl“ für den Kenner an. So greift für die neue Aufnahme des „Don Carlos“ Claudio Ab-bado die französische, fünfaktige Fassung von 1886 auf und bringt zudem auf einer zusätzlichen Platte von Verdi später selbst neu bearbeitete Szenen. In seiner Darstellung zeichnet der Dirigent ein Gemälde, in dem alle Farben von gleicher Bedeutung sind, ein einheitliches Ganzes also, in dem sich die Sänger nicht auf dem vom Orchester gebreiteten Klangteppich bewegen, sondern gleichsam in ihn integriert sind.

Placido Domingo singt sehr gefühlsbetont den Don Carlos, Rug-gero Raimondi ist ein nicht unbedeutender, aber gegen Nicolai Ghiaurövs gewaltigen Inquisitor etwas abfallender König von Spanien, und Katia Ricciarelli stellt die Elisabeth zart und hebenswert dar. Blaß und ohne spürbaren Edelmut ist Leo Nuccis Posa, und Lucia Terrani fehlt es als Eboli ein wenig an stimmlicher Substanz.

Auch Giuseppe Sinopoli trifft mit einer sehr differenzierten Gestaltung der „Rigoletto“-Partitur Gehalt und Atmosphäre dieser Oper, manchmal würde man allerdings ausgeprägtere dramatische Höhepunkte wünschen. Edi-ta Guberova nützt ihre schier unbegrenzten stimmlichen Möglichkeiten, doch bleibt ihre Gilda kalt, ohne Liebe und kindliche Naivität. Ganz anders Neil Shicoff, der mit seinem baritonal gefärbten Timbre eine intelligent durchdachte Charakterisierung des Herzogs vermittelt. Renato Bru-son ist der Charakterbariton schlechthin: ob als Rigoletto, ob im „Maskenball“ oder in „Caval-leria rusticana“, Bruson blendet nicht durch Effekt, durch stimmlichen Wohllaut, er verkörpert die Person, die er darzustellen hat.

Neben Bruson prägen Margaret Price als heftig bewegte, aber herrlich lyrische Amelia und Luciano Pavarotti als ein in allen Schattierungen sicherer Riccardo den von George Solti solide durchdachten und in perfekten Tempi dirigierten „Maskenball“.

Elan und Grazie von Rossinis Musik, Spritzigkeit und Einprägsamkeit seiner Melodien strahlen liebenswürdige Fröhlichkeit aus. Wo jedoch Abbado mit ,J.l Viaggio a Reims“ diesen Kriterien in außerordentlichem Maße gerecht wird, hat Ralf Weikert bei „Tan-credi“ mit der Wahl der Sänger keine glückliche Hand bewiesen und findet im Orchester wenig Möglichkeiten, seine Ideen zu verwirklichen: Marilyn Hörne kommt die tiefe Stimmlage der Titelrolle leider nicht entgegen. Ein großartiges Sängerensemble, von Cecilia Gasdia bis Ruggero Raimondi, bereitet hingegen bei „II Viaggio a Reims“ dem Hörer einen Ohrenschmaus.

Franco Zeffirelli hat Mascagnis „Cavalleria rusticana“ verfilmt, der „Original Soundtrack“ ist nun auf Schallplatte erhältlich: Trotz Placido Domingo und Elena Ob-raztsova, die sizilianische Leidenschaft in ihren Stimmen glaubhaft machen, fehlt es dem Dirigenten Georges Pretre an thematischer Koritinuität, was nicht zuletzt an dem ohne jedwede Brillanz spielenden Orchester liegen dürfte.

„Guntram“, Richard Strauss' erste Oper, ist stark von Wagners motivisch-symphonischem Stil beeinflußt, sowohl Instrumentali-sten als auch Sänger sind höchsten Anforderungen ausgesetzt. Reiner Goldberg singt den Guntram klar und sehr konzentriert, manchmal zu verhalten, jedoch mit strahlend heldischem Glanz. Ilona Tokody ist eine reizende Freihild, die auch die für das dramatische Fach eher ungewohnten Intervallsprünge und atemberaubenden Spitzentöne sicher bewältigt. Voll jugendlicher Kraft leitet Eve Queler das Orchester.

1) VERDI, DON CARLOS, Domingo, Raimondi, Ricciarelli, Ghiaurov, Nucci, Terrani, Orchestra del Teatro alla Scala, Abbado, Deutsche Grammophon, öS 690,—.

2) VERDI, RIGOLETTO, Bruson, Shicoff, Gruberova, Lloyd. Orchestra di Santa Cecilia, Sinopoli, Philips, öS 630,—.

3) VERDI, DER MASKENBALL, Pavarotti, Price, Bruson, National Philharmonie Orchestra, Solti, Decca, öS 630,-.

4) ROSSINI, IL VIAGGIO A REIMS, Gasdia, Terrani, Ricciarelli, Araiza, Nucci, Raimondi, Chamber Orchestra of Europe, Abbado, Deutsche Grammophon, öS 645,—.

5) ROSSINI, TANCREDI, Hörne, Cuberli, Palacio. Orchestra del Teatro La Fenice, Weikert. CBS, öS 591.-.

6) MASCAGNI, CAVALLERIA RUSTICANA, Domingo, Obraztsova, Bruson, Orchestra del Teatro alla Scala, Georges Pretre, Philips, öS 350,-.

7) STRAUSS, GUNTRAM Goldberg, Tokody, Gati, Hungarian State Orchestra, Queler, CBS, öS 396,-.

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