Inbrunst am Fuße der Treppe

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Giuseppe Verdis "I Vespri Siciliani": große Sänger in einer guten, soliden Aufführung.

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Giuseppe Verdis "I Vespri Siciliani": große Sänger in einer guten, soliden Aufführung.

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Das von Sergej Eisenstein in Szene gesetzte Massaker auf der Treppe von Odessa ist eine der berühmtesten Sequenzen der Filmgeschichte. Auch Giuseppe Verdis "I Vespri Siciliani" steuert einem Massaker entgegen, und Regisseur Herbert Wernicke hat die gesamte Handlung des selten gespielten Werkes an der Wiener Staatsoper auf einer riesigen, schwindelerregenden Treppe angesiedelt. Das ist optisch höchst eindrucksvoll, vor allem bei Massenszenen - die in einer Oper, die sich vor dem Hintergrund des Aufstandes der Sizilianer gegen die normannisch-französische Herrschaft im Jahre1282 abspielt, natürlich nicht fehlen. Allein das hochdramatische - wenn auch etwas abrupte - Finale rechtfertigt das gute, naturgemäß heftig umstrittene Konzept.

Die Treppe ist das tragfähige Gerüst einer guten Aufführung, der vor allem die Sänger Substanz und Fülle verleihen. Edel und reif ist der Bariton von Renato Bruson, der den französischen Gouverneur Guido di Monforte verkörpert: Mit großer Tiefe zeichnet er einen zwischen Politik und der Liebe zu seinem illegitimen Sohn Arrigo zerrissenen Mann. Großartig, welch feine Nuancen der Tenor Johan Botha als Arrigo trotz aller Dramatik zu ziselieren vermag - seine mangelnden mimischen Fähigkeiten und sein Äußeres (zirka 150 Kilo und ein fürchterlicher Haarschnitt) tun dem leider ein wenig Abbruch. In Ferruccio Furlanettos Baß erklingen jenes Sendungsbewußtsein und jene Klarheit, die ihn zu einem glaubwürdigen Anführer der Rebellen machen: charismatisch, mitreißend, aber skrupellos. Am wenigsten noch begeistert Carol Vaness in der Rolle der Herzogin Elena, der Geliebten von Arrigo. Mit ihrem vielleicht etwas zu dunklen Sopran meistert sie zwar ihre technisch ungemein schwierige Partie, doch gelingt ihr nicht immer jener inbrünstige Ausdruck großer Emotion, den die anderen Protagonisten scheinbar mühelos bewältigen.

Bedächtig, fast etwas behäbig dirigiert Roberto Abbado das Staatsopernorchester. Der musikalische Pomp der Grande Opera ("I Vespri Siciliani" war Verdis erstes für die Pariser Oper komponiertes Werk) und die psychologisch ausgefeilte Dramatik können sich unter seiner Leitung nicht zur Gänze entfalten. Trotzdem: Das Repertoire der Staatsoper ist um eine solide, gute Aufführung reicher.

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