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Werke von Leos Janácek und Leonard Bernstein bei den Bregenzer Festspielen.

Der ewige Kreislauf von Leben und Tod, von Ende und Neubeginn - dieses Thema kann als Leitgedanke der diesjährigen Bregenzer Festspiele aufgefasst werden:

In Leos Janáceks Oper "Das schlaue Füchslein" ist es eine neue Generation an Tieren, die dem Förster in der Schlussszene begegnet und ihm doch gleichsam wie die bekannten Wesen der Vergangenheit erscheint. In Leonard Bernsteins "West Side Story" ist es der erneut aufkeimende Kampf zweier Volksgruppen, dem nur für einen kurzen Moment durch eine traurig endende Liebesgeschichte Einhalt geboten wurde.

Im übertragenen Sinn betrifft das Thema von Ende und Neubeginn aber auch die Festspiele selbst, Langzeitintendant Alfred Wopmann verlässt nämlich nach zwanzig Jahren künstlerischer Direktion das Festival am Bodensee, das unter seiner Leitung internationale Reputation erlangt hat.

Keine bunte Tieroper

Populäre Werke auf dem See, Opernraritäten im Festspielhaus - das war Alfred Wopmanns erfolgreiches Konzept, wobei allerdings die diesjährige Hausproduktion, Leos Janáceks Spätwerk "Das schlaue Füchslein", nur bedingt der Kategorie "Raritäten" zuzurechnen ist.

Zuweilen wurde diese Oper von 1924 als "tschechischer Sommernachtstraum" bezeichnet. In mehreren Episoden aus dem Leben einer Füchsin sind in diesem Werk die menschliche Welt und die Welt der Natur zueinander in Kontrast gestellt.

Durch einen überzeugenden Kunstgriff der Inszenierung von Daniel Slater wird in Bregenz aber nicht eine bunte Tieroper gezeigt, hier ist es auf hervorragende Weise gelungen, die Ebenen zu verknüpfen: nicht im Wald beginnt das Werk, sondern in einem Wirtshaus.

Hier schläft der Förster ein und beginnt zu träumen; die ihn Umgebenden werden zu Tieren mit menschlichen oder Menschen mit tierischen Zügen, während sich das von Robert Innes Hopkins entworfene Gasthausgewölbe in einen stilisierten, von Simon Mills phantasievoll ausgeleuchteten Wald verwandelt.

Das Tier im Mensch, der Mensch im Tier - Slaters Regie spielt gekonnt mit diesen Begriffspaaren, auch die erotische Komponente nicht außer Acht lassend, wenn sich alle Wünsche und Begierden der "Menschen" auf ein Wesen konzentrieren: das Füchslein. Margareta Klobucar, in einen Mantel mit rotem Fuchskragen gewandet, spielte diese Rolle mit viel Gefühl und sang auch differenziert, mit klarem, nur in der Höhe etwas schrillem Sopran. In der oberen Lage wirkte auch der dunkel getönte Fuchs von Nataliya Kovalova etwas beengt.

Wie bei ihr überzeugte auch beim baritonal klangvollen Förster von Peter Coleman-Wright, beim Landstreicher von Wolfgang Bankl, beim charaktertenoralen Schulmeister von Stefan Margita und beim Pfarrer von Brian Bannatyne-Scott, wie überhaupt beim ganzen Ensemble die typengerechte Besetzung und die abgerundete Ensembleleistung, zu der auch der Kammerchor Moskau und der Prager Philharmonische Kinderchor das ihre beitrugen.

Eine längere Anlaufstrecke brauchten hingegen die Wiener Symphoniker unter Vladimir Fedoseyev: nach orchestral sehr pauschalem Beginn kam es erst nach und nach zu klangfarblichen Schattierungen und subtil ausgekosteten Effekten der Janácek'schen Partitur.

"Somewhere" blieb Traum

Im Ganzen überzeugte diese keineswegs auf Poesie verzichtende Festspiel-Produktion durch ihren niemals belehrenden Ansatz, ist somit durchaus mit der Einstudierung von Bernsteins "West Side Story" auf der Seebühne vergleichbar.

Im imposanten Bühnenbild von George Tsypin (ein schiefstehender 36 Meter hoher, gewollt oder ungewollt Assoziationen an die Ereignisse des 11. September weckender Wolkenkratzer und eine deformierte Stahlkonstruktion beherrschen die Szene) haben Francesca Zambello als Regisseuse und Richard Wherlock als Choreograph eine überzeugende Inszenierung realisiert, dabei für flott schmissige Dialoge (gesprochen wird die deutsche Übersetzung von Marcel Prawy, gesungen im englischen Original), schnelle Szenenwechsel und spritzige Tanzensembles gesorgt.

Direkter in der Wirkung, weniger dezent hätte die eine oder andere Szene dabei ausfallen können, lässt man diesen Einwand aber beiseite, so bestach die Produktion vor allem durch eines: die romantische Liebesgeschichte zwischen Maria und Tony verlor sich nicht in den Weiten der riesigen Seebühne, sondern bewegte dank eines intimen Reizes, der trotz der Distanzen zum Publikum bewahrt werden konnte.

Entscheidenden Anteil daran hatten Marisol Montalvo als liebenswerte Maria mit schönem Sopran und Jesper Tydén als smarter Tony, mit weichem, nur in den Höhen unstabilem Musicaltenor. Alexander Franzen als Riff und Andreas Wolfram als Bernardo wirbelten an der Spitze der beiden Straßengangs mit Tempo über die Bühne - ein Tempo, das auch durch die rasant aufspielenden, swingenden Wiener Symphoniker unter Wayne Marshall vorgegeben wurde.

Im bewegenden Finale, wenn sonst die beiden Straßengangs gemeinsam die Leiche des ermordeten Tony wegtragen, sieht man hier, wie sich die beiden rivalisierenden Gruppen neu formieren: man hat nichts aus den Ereignissen gelernt, das "Somewhere" ist als Friedensversion ein Traum geblieben - leider wie im realen Leben?!

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