6741695-1966_43_27.jpg
Digital In Arbeit

Olympia — Giulietta — Antonia

Werbung
Werbung
Werbung

Beginnt man sich mit den Kuriositäten rund um „Hoffmanns Erzählungen“ zu befassen, so findet man nicht leicht ein Ende. Zunächst: dieses in der ganzen Welt erfolgreiche Repertoirestück war Offenbachs einzige Oper, die er schrieb, weil er, seinen eigenen Worten zufolge, sich nicht mehr imstande fühlte, Operetten zu komponieren. Aber die Uraufführung hat er nicht mehr erlebt. Sie fand vier Monate nach seinem Tod im Februar 1881 in der Pariser Opera comique statt. Auch diie Instrumentierung, diese vielgerühmte Meisterarbeit, konnte er nicht mehr selbst durchführen: sie besorgte der eigentlich nur durch seine Freundschaft mit Bizet bekannt gewordene Emest Guiraud. Aber wie groß muß die musikalische Kultur damals gewesen sein, daß ein keineswegs genialer Musiker so etwas zustande bringen konnte! Wien folgte noch im gleichen Jahr nach, und sogleich begannen die verschiedenen Umarbeitungen und Umstellungen, die sich nicht nur auf die Rezitative bezogen. Nennen wir von den prominentesten Bearbeitern mur Gustav Mahler, Hans Gregor, Reinhardt und Felsenstedn... Die letzte Neueinstudierung an der Wiener Staatsoper, mit Bühnenbildern von Robert Kautsky, leitete Adolf Rott. Gespielt wurde damals eine Schweizer Neufassung, deren Autoren der Musikologe Dr. Otto Maag und Hans Haug waren. Sie bemühten sich, den Urtext zu rekonstruieren, führten eine „Muse“ ein und stellten das venezianische Bild an dsn Schluß, das heiißt vor die kurze finale Szene, in Lutters Weinstube.

Der Spielleiter der Neuinszenierung, die wir am vergangenen Sonntagabend in der Wiener Staatsoper sahen, war Otto Schenk, und man kann ihm bestätigen, daß die drei zentralen Bilder mit Olympia, Giulietta und Antomia gut gelungen sind, nicht zuletzt dank der höchst geschmackvollen, intim wirkenden, dabei aber großräumigen Bühnenbilder von Günther Schneider- Siemssen, mit dominierenden Schwarzweißtönen bei Spalanzani und einer Fülle mechanischer Apparate von phantastischer Sinnlosigkeit, mit der bläulich schimmernden venezianischen Kulisse im mittleren Bild und dem in Grautönen gehaltenen Im- Salon dės Musikers Gres pel. Verwirklicht wurde in allen drei Bildern auch, was der Regisseur und der Bühnenbildner sich vorgenommen: mit den Mitteln thea tralischer Phantasie und nicht mit jenen der technisch perfekten, aber phantasielosen Maschinerie zu arbeiten. So hatte jeder Akt seine eigene Farbe und eine gewisse Traumrealität. Nur Lutters Weinstube mit den allzu vielen Studenten geriet für unseren Geschmack allzu realistisch und handfest. Aber wahrscheinlich war das Absicht, denn schließlich liegt besagtes Lokal an dier Ecke Französische und Charlottenstraße in Berlin. Die den Rahmen der Erzählung Hoffmanns schließende Schlußszene hatte man grausam, aber wirkungsvoll auf sieben Minuten zusammengestrichen. (Übrigens ist die vor einigen Jahren neuaufgeflammte Diskussion um die Reihenfolge der Akte ein Streit um des Kaisers Bart; unserer Meinung nach ist die Reihenfolge völlig irrelevant, dehn es könnten statt der von den Textautoren Barbier und Carrė aus den Novellen Hoffmanns ausgewählten drei Szenen ebensogut nur zwei oder deren fünf sein...)

Olympia, Giulietta, Antonia und die Sängerin Stella im Schlußbild spielte Anja Silja: eine so starke Bühnenpersönlichkeit, daß sie der äußeren Verwandlung kaum bedarf. Sie beherrscht ihre Stimme und die Bühne auf faszinierende Weise und hat sich hier einige neue Rollen erobert. — Als ausgezeichneter Bel- camtist, wenn auch nicht gerade mit starker dämonischer Ausstrahlung, erwies sich wieder einmal Waldemar Kreppei. Als Lindolf, Coppelius, Dapertutto und Doktor Mirakel bewährte sich stimmlich und darstellerisch in gleicher Weise Otto Wiener. Gerhard Stolze sang makellos und agierte glaubwürdig die vier kleineren Charakterrollen. Elegant, liebenswürdig und glockenrein sang Gertrude Jahn den Freund Niklaus. Von den übrigen Mitwirkenden sei wenigstens noch Paul Schäffler als Musiker Crespel genannt.

Nicht weniger Glanz wie von der Bühne kam aus dem Orchester. Hier stand Joseph Krips am Pult und dirigierte die Meisterpartitur Gui- rauds, wie seinerzeit am 24. Oktober 1945 im Theater an der Wien, elastisch, präzis und mit jenem Schuß von pariserischem Elan, ohne den Offenbachs Musik nicht gedeihen kann. Während der Aufführung gab es einige, dumme Lacher von der Galerie, nach, jedem Aktschluß lebhaften und langanhaltenden Beifall für alle Mitwirkenden.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung