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„Hoffmanns Erzählungen“ in der Staatsoper

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Momentan falle ihm gar nichts ein, er werde deshalb eine ernste Oper schreiben, soll Offenbach zu einem Freund gesagt haben. Aber man weiß, welch brennender Ehrgeiz sich hinter dies-m ironischen Wort verbirgt, wie sehr Offenbach darauf aus war, der Welt zu beweisen, daß er nicht nur Bouffonerien zu produzieren imstande sei. Vielleicht war der Freund, zu dem er den zitierten Ausspruch tat, jener Erneste Guiraud, der später, nach des Komponisten Anweisung, den Klavierauszug von „Hoffmanns Erzählungen“ instrumentierte, jener Guiraud, der kurz vorher auch die Rezitative zu Bizets „Carmen" geschrieben hatte — wodurch da und dort zwischen den beiden Werken gewisse Aehnlichkeiten im Instrumentalen entstanden sein mögen. Aber was klingt sonst noch alles an in dieser Musiki Die Meister der „Grande Opera“, die Offenbach verehrte, und viel in die Zukunft Weisendes: Puccinische Kantilenen, Weillsche und Orffsche Ostinati, der robuste Studentenkantus und larmoyante Menottische Tonwiederholungen besonders im Duett der Antonia mit ihrer Mutter.

Nach der Premiere der Aufführung in der Staatsoper begreift man die ungeheure Popularität des Werkes, denn die beiden Bearbeiter, der bekannte Musikkritiker der „Basler Nationalzeitung", Dr. Otto M a a g und der gegenwärtig in Lausanne lebende Schweizer Dirigent Hans Haug, haben das Werk musikalisch vorsichtig retuschiert und den Text in sorgfältiger Kleinarbeit wieder in seiner ursprünglichen Gestalt hergestellt. Es begann — und beginnt jetzt wieder — mit einem gesprochenen Prolog der Muse, die später Hoffmann in der Gestalt des Studenten Niklaus begleitet, und es endet mit einem Epilog, der die Würde des Dichters E. T. A'. Hoffmann wahrt. Auch daß man den mehr lyrischen Antonia-Akt wieder an seinen ursprünglich vorgesehenen Platz stellte, ist sinnvoll und dramaturgisch gerechtfertigt. — Zum Erfolg dieser Neuinszenierung, den man mit einiger Sicherheit voraussagen kann, wird all das ebenso beitragen wie die phantasievolfe und originelle Ausstattung durch Robert K a u t s k y und die sehr moderne, wohldurchdachte Spielleitung Adolf Rotts. Aus dem kleinbürgerlichen Milieu und der Enge von E. T. A. Hoffmanns Novellen „Der Sandmann“, „Rat Crespel" und „Die Geschichte vom verlorenen Spiegelbild“ hat man die drei Szenen des französischen Textautors Jules Barbier in eine Zauberwelt ä la Doktor Mabuse und Caligari versetzt. Fünf in die Bühne hereinhängende', kugelförmige Scheinwerfer, wie man sie bei Unterwasserexpeditionen verwendet, verleihen den einzelnen Bildern einen submarinen Charakter. Das kommt besonders stark im Olympia-Akt mit seinen leuchtenden Perlvorhängen und .Zifferblättern, phantastischen Apparaturen und marionettenhaften Zuschauern zum Ausdruck. Zuviel des künstlichen Zauberwesens geschieht vielleicht, wenn man die Stimme der Muse im Epilog durch Lautsprecher verstärkt und dafür die letzte Arie Hoffmanns bis auf einige Zeilen streicht.

Das Werk wurde am vergangenen Samstag und Sonntag in der Staatsoper in Doppelbesetzung der Hauptpartien aufgeführt. Die große Zahl der Mitwirkenden gestattet uns nur die Nennung der Namen, die aber wohl für sich sprechen. Den Hoffmann sangen Anton Dermota und Ivo Zidek, Olympia beide Male Mimi Coertse, Antonia: Teresa Stich-Randall und Wilma Lipp, Giulietta: Ira Malaniuk und Gerda Scheyrer, die drei Baritonpartien des Stadtrates Lindorf, des Coppelius, Mirakel und Dapertutto: Paul Schöffler und Walter Berry, Christa Ludwig und Dagmar Hermann in der Partie der Muse und des Niklas; ferner Peter Klein, Elisabeth Höngen. Erich Kunz, Ludwig Weber, Laszlo Szemere, Frederick Guthrie, Alfred Jerger und andere. Antonio V o 11 o s musikalische Leitung war etwas bieder, mehr vom Geist des Weines und des Bieres was bekanntlich keine gute Mischung ist als von dem des Sektes der dieser Musik mehr entsprochen hätte inspiriert. — Bereits am zweiten Abend war eine Reihe kleiner regielicher Ungeschicklichkeiten und technischer Lapsi korrigiert. Ein Zeichen für die sorgfältige Ensemblearbeit, die hier unter schwierigsten Gesundheits- Bedingungen geleistet wurde.

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