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Die schöne Helena“ in der Volksoper

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Solange durch die Aufführung einer Offenbach-Operette in der Originalgestalt nicht eindeutig erwiesen wird, daß es „so nicht mehr geht“, bestreiten wir die Notwendigkeit, ja die Statthaftigkeit so gewaltsamer Eingriffe, wie sie der „Schönen Helena“ in der Volksoper durch Axel von Ambesser widerfahren sind. Gewiß, das Textbuch von Meilhac und Halevy ist nicht tabu, schon wegen seiner Zeit-bezogenheit nicht. Aber schließlich wußte Offenbach, was er komponierte. Text und Musik bilden stilistisch eine Einheit. Dieser kecke, aggressiv-ironische Stil mag dem einen mehr, dem andern weniger gefallen. Keinesfalls aber ist es nötig, Offenbach durch bodenständige Grobheiten und Platitüden „auf die Sprünge zu helfen“. Dadurch wird nämlich aus der witzigen Satire, aus Spaß und Uebermut — „Klamauk“ (das Wort ist so schrecklich wie der “betriebsame Lärm, den es bezeichnet). Einige inhaltlich und dialektisch stark lokal gefärbte Pointen gehen wohl nicht auf Rechnung Ambessers, der als Texteinrichter und Regisseur verantwortlich zeichnet, sondern klingen eher nach Probenextempores der Schauspieler. Tant pis. — Die musikalische Einrichtung erfolgte viel weniger gewaltsam und bestand im wesentlichen in einigen Kompilationen und Hinzufügungen, zum Beispiel ..zur Musik des Balletts im dritten Akt.

Ambesser als Regisseur darf man fast uneingeschränkt loben. Er hat hübsche und originelle Einfälle. Der weitaus beste war, das Orchester auf einer Art Empore auf bzw. über der Bühne zu placieren.. Das gibt der Aufführung — optisch — infolge des erzielten Verfremdungseffektes etwas Surreales, Magisches, gewissermaßen eine neue Dimension. Die akustische Auswirkung dieses kühnen Experiments bildete eine freudige Ueberraschung. Das mit voller Lautstärke spielende Orchester klang ungewöhnlich deutlich und transparent, ohne je einen Sänger zu decken. Es war — so weit hergeholt der Vergleich erscheinen mag — der klare und abgedämpfte Klang des Orchesters im Bayreuther Festspielhaus.

Musikalisch ließ die Aufführung unter Wilhelm Schönherr kaum einen Wunsch offen: Per Gründen als Paris, strahlend in Stimme und Erscheinung (eine ebenso ungetrübte Freude für die Damen wie die bildschöne Lotte Tobich als Venus von wahrhaft königlicher Haltung für die andere Hälfte der Besucher); Esther Rethy, dezent spielend und schön singend (wenn auch mit leicht ungarischem Akzent, der zum Achill des Hetrn Laszlo Szemere besser paßte); Erich Kunz als Menelaus, Franz Höbling als Agamemnon. Sallaba und Erlandsen als Ajax I und II, Preger als Kalchas, Böheim als Zentaur und Heddy Faßler als Orest brillierten als Sänger und Sch&ispieler. Was ihnen zu grob geriet, geht wohl auf Rechnung der Regie. Die Choreographie Erika Hankas und Willy Franzis sowie die Leistung des Balletts waren ausgezeichnet und erhielten Sonderapplaus.

Der Rezensent möchte seihen besonderen Beifäll Erni K n i e p e r t und Walter H o e ß 1 i n spenden. Man müßte ein dichterisch begabter Maler sein, um schildern zu können, was sie geleistet haben. Ihre Kostüme und Bühnenbilder sind so einfallsreich und haben soviel Pariser Charme (mit einem leicht phantastischen Einschlag), daß allein ihretwegen sich ein Besuch der Aufführung lohnt. An der Ausstattung hätte auch Offenbach seine helle Freude gehabt. S o schön hat er seine „Schöne Helena“ wohl nie gesehen. Höchstens erträumt.

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