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Rettungsversuch mit Bizet

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Man behauptet, daß der unglückliche Bizet, der den Welterfolg seiner „Carmen“ nicht mehr persönlich erleben durfte, mit dem Drama Daudets „LA. r 1 e s i e n n e“, zu dem er die Bühnenmusik geschrieben, in seiner Heimat zumindest einen großen Erfolg buchen konnte. Aber warum sollte dann dieses Werk nicht genau so, wie es war, und nicht als bescheidene Suite — Programmstück aller Kurmusiken — auf uns gekommen sein? Hanns Schulz-Dornburg hat sich der Mühe unterzogen und Daudets Schauspiel für das Salzburger Landestheater erneuert. Wer wußte schon, daß dieser vergilbende Schriftsteller des einst vielbelachten „Tartarin de Tar-rascon“ sich auch als Dramatiker versucht hat? So viel falsches Sentiment, so viel Plattheit und Ungeschicklichkeit des Dialogs, eine so primitive Handlung um die „Tänzerin“ von Arles mag man seinerzeit hingenommen haben. Heute ist man dazu kaum mehr imstande. Schulz-Dornburg weist seine Tänzerin als „Ein Spiel von Tanz, Liebe und Tod“ aus. Als knappes Tanzspiel ohne Worte hätte es noch eine gewisse Berechtigung auf dem Theater, so aber, als Sprechstück von zweieinhalb Stunden, ist das Ganze kaum mehr genießbar. Auch weiß man, warum von dieser Musik nyhts als die kleine, ins Ohr gehende Suite auf uns gekommen ist. Das übrige enthält nicht einmal Wesentliches für den Tanz und seine Tänzerin, um die sich die rhythmisch unfehlbare Hertha Bade dankenswert bemüht hat. Sie und die begabte Senta Wen-graf in einer recht mühsamen, aber brav durchgestandenen Rolle bleiben von der im ganzen sauberen Aufführung in bester Erinnerung. Entgegen diesem Werk hatte das Landestheater kürzlich unter Walter Gynt eine respektable Aufführung von Priestleys zeitgemäßem Stück „Der Inspektor kommt“ mit dem sicher charakterisierenden Joseph Hendrichs zu bieten.

Ein Ereignis in Salzburg, das hohe Anerkennung verdient, stellte, nach 18 Jahren und zum zweiten Male in unserem Jahrhundert hierorts geboten, die Wiedergabe von Bachs schwieriger Hohen Messe in h - m o 11 dar, die als zweite Feier für den Thomaskantor in diesem Jahr von Hermann Schmeidel großlinig und exakt geboten wurde. Vor allem hat der Dirigent, dessen Domäne schwierige Choraufführungen sind, mit dem sich erfreulich höher entwickelnden Mozarteumsorchester und dem den Bach-Stil wahrenden Mozarteumschor das mögliche zu leisten vermocht.

Überraschung auf literarischem und künstlerischem Gebiet kommt immer neu von dem vorbildlich geführten Schauspielseminar des Mozarteums im Studio des Klosters von St. Peter. Diesmal wurde ein zu Unrecht vergessener P i r a n d e 11 o aufgeführt, in welchem einst Moissi in Wien Triumphe gefeiert hat: „Heinrich I V.“, mit dem Untertitel „Die lebende Maske“. Ein Wagnis, wenn man bedenkt, daß für die Hauptrolle des früh gealterten, in mittleren Jahren stehenden Mannes, der, in Wahnsinnsnacht befangen, sich imaginiert, der nie entsühnte deutsche Kaiser Heinrich in Canossa zu sein — wenn man also bedenkt, daß diese Rolle ein kaum Achtzehnjähriger spielte, und zwar mit aller Folgerichtigkeit und Konsequenz, ohne sich der Grenze des Lächerlichen zu nähern. Dafür darf man dem vielversprechenden Robert Dietl, dessen schöner Ernst auch bewundert werden soll, und dem mutigen Regisseur Rudolf Leisner von Herzen dankbar sein.

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