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Offenbach mit Cancan

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Die Volksoper brachte als Festwochenpremiere Jacques Offenbach „Pariser Leben“ in der neuen deutschen Fassung von Walter Felsenstein, die 1945 in Berlin erstmalig gezeigt wurde. Regisseur, Bühnenbildner und Kostüm-zeichnerin kamen aus Wiesbaden (Kurt Pscherer. Roudi Barth und Jeanette Andreae). Sie ließen sich im Optischen offensichtlich von den Figuren und Farben (Purpur, Grün, Violett) Toulouse-Lautrecs inspirieren. Die Handlung bringt Pariser Lebemänner, distinguierte Touristen, die etwas erleben wollen (hier den österreichischen Baron von Podersdorf und seine Frau) mit den Bediensteten, einem reichen Brasilianer und allerlei anderen Figuren im lustigen Quiproquo durcheinander. Daß die Dienerschaft auch „Herrschaft“ spielen kann war für die Textautoren Meilhac und Halevy einst nicht nur ein Spaß, sondern auch eine sozialkritische Pointe. Heute hält sich

die Regie und das Publikum ausschließlich an den Spaß, und es herrscht auch auf der Bühne gute Laune, die in einem ausgiebigen Cancan kulminierte. Soweit, so gitt. Die meisten waren sogar sehr gut: die Damen Koch, Aubry, Moorfield, Papou-schek und Dressel (vielleicht am allerbesten!) sowie die Herren Nidetzky, Gründen, Prikopa, Kuchar, Liewehr und andere. Aber Offenbach verlangt auch Gesang, richtige Opernstimmen, und virtuose Parlando. Damit war's in den meisten Fällen nicht so gut bestellt. Dia L u c a hatte als Choreographin ihren großen Trumpf erst am Schluß ausgespielt. Franz Bauer-Theussl musizierte recht flott mit dem Volksopernorchester. Am meisten freilich blieb die unvergleichlich leichte Hand Offenbachs zu bewundern: wie das alles — Soli, Duette, Ensembles, Chor- und Tanznummern — treffsicher hingesetzt ist, ohne orchestralen Schwulst und lyrischen Schwall. Ein kaum jemals

wieder erreichtes Vorbild in diesem Genre. H. A. F.

Das Raimund-Theater brachte als Festwochenbeitrag „Die schöne Helena“ von Jacques Offenbach auf die Bretter. Es handelt sich um die Textfassung von Egon Friedell und Hans Sassmann, die aus dem französischen Libretto von Meilhac und Halevy ein wienerisches gemacht haben, das fürs Raimund-Theater von Walter Kochner bearbeitet wurde, der auch die Inszenierung besorgte. Wie es immer geschieht, wenn ein Libretto durch viele Hände geht, ist auch dieses nicht besser geworden. Da der Zündstoff (die politischen Anspielungen auf die Zeit Napoleons III.) längst erloschen ist, bleibt im Grunde nur eine Farce und Clownerie. Al9 solche wurde das Stück (und seine Rolle) auch aufgefaßt von Fritz Steiner, dessen Menelaus zur Hauptfigur verclownt ist. was natürlich weder dem Paris (Alfredo Corda) noch der Helem (Eva Drohne) gemäß ist, die sich immerhin mit der „Würde“ eines Seiten-

Sprunges aus der Affäre ziehen. Bleibt die Musik von Offenbach, die einem Lift gleich alles um einige Etagen emporhebt, zumal sie von Rudolf B i b 1 vorbildlich betreut wird. Das Bühnenbild von Ferry Windberger hält sich mehr an das französische Original, die Kostüme von G e r d a g o stilisieren andeutungsweise die Antike. Helena im Schaumbad bekamen die Pariser bei der Uraufführung der Operette (17. Dezember 1864) allerdings kaum zu sehen, während die Choreographie Rein Est es wirklich „Französisches“ leistet, und das Ballett seinen (besonders weiblichen) Mann stellt. Der Schlußcancan ist nicht von schlechten Eltern. Trude Köhler und Franz Mulec als Solotanzpaar leisten Bravouröses. Gesanglich sind noch die drei Göttinnen zu erwähnen (Pari Samar, Hedwig Drechsler und Birgit Sarata), darstellerisch der Calchas des Hans Peter Krasa. Das Publikum, Travestien immer zugeneigt, von Offenbach nach wie vor begeistert, unterhielt sich vorzüglich.

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