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„Der König hat's gesagt“

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Die Schwierigkeit der Oper liegt gar nicht so sehr an dieser Kunstgattung selbst, die bekanntlich nach wie vor eine große Anziehungskraft ausübt, sondern sie ist begründet im Mangel an einem entsprechenden Zuwachs substanzvoller Novitäten. Alle Jubeljahre hört man einmal von einem neuen Opus der Repräsentanten Heuse, Egk oder Orff, aber diese seltene Kost stillt nicht den Hunger ungezählter Bühnen, die nicht ewig auf ihrer „Tosca“ und ihrem „Freischütz“ herumreiten wollen. Besonders schlimm ist es dabei um ein Theater bestellt, das sich mit berechtigtem Stolz eine Opera comique nennt, denn hier wird die Auswahl geeigneter Werke noch problematischer. Es ist deshalb sehr wohl verständlich, daß sie das Bayerische Staatstheater am Gärtnerplatz — ein Haus, in dem die Opera comique noch wirklich lebendig ist — immer wieder in der musikalischen Vergangenheit des vorigen Jahrhunderts herumstöbert, um den Spielplan zu bereichern. Es zeigt sich aber immer wieder — Ausnahmen bestätigen die

Regel —, daß vergessene Werke meistens eine nicht überspielbare Schwäche aufweisen. Spricht man von Leo Delibes, dann denkt man sofort an sein Meisterwerk „Cop-pelia“ sowie an einige Arbeiten für das Ballett, nicht aber an die komische Oper „Der König hat's gesagt“, die dramaturgisch ganz einfach nicht zu retten ist. Karlheinz Gutheim hat sich viel Mühe gegeben, den Text zu modernisieren, und auch in die Partitur hat er eingegriffen, aber das Original aus der Feder von Edmond Gondinets ist dadurch nur verworrener und konstruierter geworden. Der einzige rote Faden, an dem die Restbestände eines heiteren und komödiantischen Spiels baumeln, ist zweifellos die Musik. Herrn Delibes sind brillante Dinge eingefallen, man spürt die Verbundenheit mit Offenbach, und der junge Kapellmeister Gernot Schwickert entledigte sich seiner Aufgabe mit großem Geschick und bemerkenswerter Präzision, wenn es ihm auch noch nicht immer gelingt, seine Klangvorstellungen restlos zu realisieren. — Es ist nur ein Weg zur Neubelebung dieses Werkes denkbar, nämlich der des konsequenten Regietheaters — die eigentliche Stärke des Hauses am Münchner Gärtnerplatz. Doch gerade in diesem Punkt kam es zu einer Pleite. Frank Schultes konnte die Welt des Sonnenkönigs weder in seinen primitiven Bühnenbildern, noch in den unpassenden Kostümen einfangen. Immer wieder kamen hohle Fassaden zum Vorschein, die an ausgebrannte Ruinen erinnerten und deshalb sicher nicht zur guten Stimmung beitragen konnten. Der zweite Akt sollte ein Festakt werden, und im Gärtnerplatztheater zieht man bei solchen Gelegenheiten die Trümpfe, daß dem Publikum die Augen übergehen. Hier aber blieb alles phantasielos, eintönig und ohne Esprit. Auch die Balletteinlage hatte etwas seltsam Steifes und Steriles. Dem Gastregisseur Kurt Horres war es nicht gelungen, den Zauber der romantischen Spieloper und gleichzeitig die Parodie auf diesen Operntypus in Einklang zu bringen. Selbst gute Einfälle wirkten aufgesetzt, die Pointen kamen entweder gar nicht, oder sie kamen zu dick, und die Aktionen waren nicht gelöst und spielerisch, sondern unbeholfen und plump. Mit Hans Günter Grimm, Lois Toman, Dorothea Chryst, Hella Puhlmann, Ingrid Haubold, Liselotte Ebnet, Rosl Schwaiger und Anton de Ridder stand dem Regisseur ein fügsames spielfreudiges und qualifiziertes Ensemble zur Verfügung, doch wußte Kurt Horres nicht recht damit umzugehen, und so trafen ihn die Buhrufe einzelner Entrüsteter nicht von ungefähr. Wir sind davon überzeugt, daß das Münchner Gärtnerplatztheater, das im Begriff ist, mit einer Jubüäumsspielzeit seinen hundertsten Geburtstag zu feiern, in Kürze zu gewohnter Qualität zurückfindet, damit wir uns auch von ganzem Herzen an seinen Leistungen freuen können.

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