Die Freiheit als unbewältigtes Finale

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Seine erfolgreichsten Projekte verwirklichte er gleich in seinem ersten Jahr: Nach drei Jahren Wiener Festwochen kehrt Markus Hinterhäuser nun nach Salzburg zurück, um dort die Intendanz der Festspiele zu übernehmen. Eine musikalische Bilanz.

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Seine erfolgreichsten Projekte verwirklichte er gleich in seinem ersten Jahr: Nach drei Jahren Wiener Festwochen kehrt Markus Hinterhäuser nun nach Salzburg zurück, um dort die Intendanz der Festspiele zu übernehmen. Eine musikalische Bilanz.

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Nur noch wenige Tage und die Wiener Festwochen-Ära Markus Hinterhäuser ist Geschichte. Nach drei Jahren zieht es ihn wieder zu den Salzburger Festspielen, wo er bereits als Musikdirektor und Intendant wirkte und die er ab Herbst neuerlich als Intendant verantworten wird. In Wien folgt ihm mit Tomas Zierhofer-Kin, zuletzt Leiter des auf Avantgarde ausgerichteten niederösterreichischen Donaufestivals, ein alter Bekannter. Gemeinsam haben sie vor Jahren ihre ersten Schritte ins Musikmanagement gesetzt - bei den Festspielen in Salzburg, später bei den Wiener Festwochen. Gleich Hinterhäuser hat auch Zierhofer-Kin einen Dreijahresvertrag. Ob eine solche Zeit reicht, um -noch dazu im Rahmen eines nur wenige Wochen umfassenden Festivals - die eigene Handschrift zeigen zu können? Mehr noch: Was lässt sich in einem so kurzen Zeitraum tatsächlich realisieren, um ein eigenes Profil wenigstens ansatzweise zu zeigen? Mit Mut und Sinn für ungewöhnliche Wege einiges, wie ein Resümee von Hinterhäusers Wiener Musiktheaterproduktionen beweist.

Seine erfolgreichsten Projekte verwirklichte der scheidende Intendant gleich in seinem ersten Jahr: mit Romeo Castelluccis anrührender Inszenierung von Glucks "Orfeo und Euridice", der die Unterwelt mit dem Bild einer Komapatientin eindrücklich übersetzte, sowie mit Georg Friedrich Haas' Oper "Bluthaus" und einer szenisch wie musikalisch packenden Darstellung von Verdis "Macbeth" durch eine südafrikanische Theatertruppe.

Differenziert in Erinnerung bleiben werden von den vorjährigen Festwochen "Luci mie traditrici" und "Herzog Blaubarts Burg", zwei Klassiker der Opernmoderne. Dies deswegen, weil da wie die dort die Regisseure Achim Freyer und Andrea Breth mehr ihren Ideen als der Aussage der Musik vertrauten. Wie es im Übrigen auch bei Lydia Steiers szenischem Konzept für Händels "Jephta" der Fall war, das ebenfalls die Botschaft des Stücks grundsätzlich konterkarierte.

Und diese Festwochen? Schon im Vorjahr hatte Hinterhäuser mit einer kleinen Konzert-Retrospektive auf den lange vergessenen Schostakowitsch-Zeitgenossen Mieczysław Weinberg neugierig gemacht. Mit "Die Passagierin" präsentierte er nun dessen Opernhauptwerk und legte damit eindringlich den Fokus auf das gerade heute so aktuelle Emigrantenthema. Der in seiner Intendanz eingeführte kleine Konzertschwerpunkt widmete sich mit Beispielen von Nono, Hartmann, Schönberg, Mahler und Krenek und anderen ebenfalls politisch engagierter Musik.

Der Freiheit -und damit in weiteren Sinn erneut der Politik -redete auch Hinterhäusers abschließende Wiener Musiktheaterproduktion das Wort: Beethovens "Fidelio", nicht in der geplanten Regie von Dmitri Tcherniakov (er war nicht rechtzeitig fertig geworden), sondern in der von Achim Freyer. Freyer deutete erwartungsgemäß die Protagonisten zu skurrilen Puppen um, versuchte das Gefangensein in ihren unterschiedlichen Schicksalen in winzigen Räumen zu zeigen, die er hinter einem Vorhang auf einem gerüstartigen, bis in die Höhe hinaufragenden Bühnenraum platzierte. Eine trotz unterschiedlicher Lichteinblendungen bald ermüdende Idee, die vor allem die Interaktion der einzelnen Darsteller kaum berücksichtigte.

Sie entsprachen, ausgenommen der Schoenberg Chor, durch die Bank musikalisch nicht. Angefangen von den verkrampft phrasierenden, grob aufspielenden Les Musiciens du Louvre unter dem sich in harschen Akzenten gefallenden Marc Minkowski über den bemühten Florestan Michael Königs, die nicht nur höhenunsichere Leonore Christiane Libors, den tiefenunscharfen Rocco Franz Hawlatas bis zum vor allem kräftig distonierenden Don Pizarro Jewgeni Nikitins. Noch am ehesten rollendeckend die kleinstimmige Marzelline Ileana Toncas und der um Artikulationsklarheit bemühte Georg Nigl als Don Pizarro. Schade, denn die Idee, drei Jahre abwechslungsreiches Musiktheater mit einer Apotheose der Freiheit zu schließen, hätte schon was für sich gehabt. Aber eben sehr anders verwirklicht, szenisch wie musikalisch.

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