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Aus dem Konzersaal

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Die Besuche der Academy of St.-MarÜn-in-the-Fields im Großen Konzerthaussaal sind immer besondere Gustostückerin für musikalische Feinschmecker. So war es auch bei dem jüngsten Konzert, dessen Herzstück die „Fünf Sätze für Streichquartett op. 5“ von Anton von Webern in der Orchesterfassung von 1929 bildeten. Hier bewährte sich die ganz unprätentiöse Meisterschaft der hochqualifizierten Solisten des Ensembles an einer wahrhaft kongenialen Aufgabe, die mehr Kenntnisse und Feinfühligkeit als Brillanz und technischen Perfektionismus erfordert. Webern zunächst standen die beiden „Tänze für Harfe und Orchester“ (1904) von Claude Debussy, deren Kolorit durch die unverbunden nebeneinander gestellten Akkorde der „chromatischen Harfe“ von Gustave Lyon bestimmt wird. Mit diesen eleganten, nicht sehr substanzreichen Stücken konnte der chilenische Solist Nicanor Zabaleta verdienten Jubel einheimsen, den er mit einem ganz oberflächlichen Virtuosenschaustück lateinamerikanischer Provenienz noch zu steigern wußte.

Mozart und seine barocken Vorfahren Händel und Bach bildeten den Gegenpol zu Impressionismus und Atonaiität. Das Konzert für Flöte und Harfe in C-Dur (KV 299) wies auf den eleganten und weltläufigen jungen Komponisten des Pariser Jahres hin, der hier eine Fülle reizvoller melodischer Einfälle an den Besteller, den Herzog von Guire und seine „magniflque“ Harfe spielende Tochter, verschwendete.

Beim 4. Brandenburgischen Konzert in G-Dur BWV 1049 von Johann Sebastian Bach gewannen die herrlichen, in Hochform spielenden Solisten Jona Brown (Violine) und Aurele und Christiane Nicolet (Flöte I und II) so sehr das Übergewicht über das übrige Ensemble, daß der charakteristische einheitliche Sound der Academy fast verloren zu gehen drohte. Trotz der technischen Raffinesse des Vortrags war die innere Spannung der Klanggruppen nicht mehr mit jener Intensität gegeben, die man kurz zuvor bei Mozart und in ganz anderer Erscheinungsart bei Webern bewundert hatte.

Das Symphonieorchester des ORF scheint zur Zeit in keiner sonderlich guten Phase zu sein. Bestätigte es doch im Konzerthaus unter Milan Horvat, daß es sogar mit der Begleitung von Brahms' erstem Klavierkonzert (d-Moll) seine Schwierigkelten hat. Wenig präzise Streicher-flguren, der unausgeglichene, stellenweise sogar etwas verzerrte Blechbläserklang nahm dieser Wiedergabe Spannung und Intensität. Den Solopart spielte Ludwig Hoffmann, ein Routinier, der das prunkvolle Stück tadellos im Griff hat, in den prunkvollen, dramatisch aufgeputschten Passagen auftrumpft. Er hätte vor allem im zweiten Satz, dem „sanften Porträt“ Clara Schumanns, mehr Einfühlung verdient. Horvats Problem — es zeigte sich auch bei Bar-tök — ist es, ganz unmißverständlich seinen Dirigentenwillen kundzutun. Er ist allzuoft zu weich, kon-turiert zuwenig, man spürt: da mangelt es an ordnender Kraft. *

Kaiichstein war der Star des Corl-Melles-Konzerts im Symphonikerzyklus des Musikvereins: Ein reines Beethoven-Programm — Sechste, G-Dur-Klavierkonzert, c-Moll-Fan-tasie (op. 80) mit dem Singverein — zeigte einmal mehr, wie gut Melles es versteht, Beethovens Werke in einem neuen Klang und in oft geradezu verblüffend neuen dynamischen Verhältnissen vorzuführen. Gerade beim Klavierkonzert kommt ihm dabei natürlich die unprätentiöse, unromantische Spielweise Gilels besonders entgegen. Für den russischen Pianisten ist Beethovens Werk eine Idealmischung: Intimität, Wohllaut der Melodiebögen, klares Ldnien-spiel, festlicher Klang sind für ihn untrennbare Einheit, Man kann auf seinen Soloabend um so mehr gespannt sein. Die Phantasie, allzu selten aufgeführt wurde mit schön austarierten Stimmbögen gesungen.

Reri Grist ist beim Publikum der Staats- und Volksoper als „Zerbi-netta“ und als „Regdmentstoohter“ ebenso beliebt, wie wenn sie auf dem Konzertpodium erscheint. In ihrem Liederabend im Brahmssaal fand sie sich in den so verschieden gearteten Stilen von Purcell- und (weniger bekannten) Schumann-Gesängen gut zurecht. Nur Lieder Debussys hätten vortragsmäßig mehr Abschat-tierung vertragen, während seltener gesungene Strauss-Weisen volle Einfühlung bei der Künstlerin fanden. Stimmlich waren im Gegensatz zur prächtigen Mezza voce gelegentliche Schärfen der Höhe nicht zu überhören. Der für Irwin Gage einspringende Heinz Medjimorec löste seine Aufgabe als Klavierpartner mit tadellosem Gelingen und trug wesentlich zum Erfolg des Abends bei.

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