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Musica nova und Requiem

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Innerhalb einer Woche veranstaltete der Österreichische Rundfunk, Studio Wien, vier öffentliche Konzerte mit moderner Musik. Das erste, unter der Leitung von Anton H e i 11 e r, wurde bereits in der letzten Folge der „Furche“ besprochen. Die folgenden Konzerte wurden von Ernst Märzendorfer, Bruno Maderna und Winfried Zi 11 ig dirigiert. Auf den Programmen der beiden von den Wiener Symphonikern ausgeführten Konzerte standen Werke von Gustav Mahler (zwei Sätze aus der X. Symphonie), Alban Berg (Altenberg-Lieder), Schönberg („Pelleas und Meli-sande“), Harald Genzmer (Concerto da camera), Haubenstock-Ramati („Les sym-phonies de timbres“) und Dallapiccola (Dialoge für Violoncello und Orchestet). Das letzte Konzert wurde vom Orchester des Österreichischen Rundfunks ausgeführt und brachte, unter der Leitung Winfried Z i 11 i g s, eine Uraufführung und zwei Erstaufführungen.

Zum erstenmal erklang das Konzert für Violine und Orchester von Egon Wellesz, auf dessen Schaffen an dieser Stelle wiederholt hingewiesen wurde. Das während des vergangenen Jahres in Oxford entstandene Werk zeigte den bedeutenden Komponisten auf einer neuen Stufe, die man als eine Synthese zwischen Wellesz' zwölftönigem Jugendstil und jener „retrospektiven“ Phase kennzeichnen kann, der die ersten Symphonien von Egon Wellesz entstammen. Das viersätzige, etwa eine halbe Stunde dauernde Stück ist frei-tonal und scheint in Anlage und Technik keinem Vorbild in Vergangenheit und Gegenwart verpflichtet. Zu persönlichster Aussage gelangt vor allem der letzte Satz (Andante sostenuto — piu lento), der von eigenartiger, ergreifender Schönheit ist. Die vielleicht allzu lang geratene Kadenz leidet, wie die meisten Kadenzen, an der Disproportion zwischen virtuosem Anspruch und Gehalt. Dem Solisten Eduard M e 1 k u s kann bezeugt werden, daß er sich gründlich und verständnisvoll -nicht nur mit den technischen Schwierigkeiten dieses Konzerts, sondern auch mit seinem Stil und Gehalt beschäftigt hat: eine ganz ausgezeichnete Leistung.

Von Hans Werner Henze, dem talentiertesten unter den jüngeren deutschen

Di Sopranistin Pilar Lorengar

Komponisten, haben wir schon Interessanteres und Feineres gehört als seine in den Jahren 1948/49 geschriebene II. Symphonie für großes Orchester. Zwei langsame Sätze rahmen einen etwas lärmenden Allegroteil ein, in dem vier Trompeten das große Wort führen. Wie alle Konipositionen Henzes ist auch dieses Werk vor allem klanglich interessant, während die symphonische Entwicklung der einzelnen Sätze zu wünschen übrig läßt.

Winfried Z i 11 i g, Autor mehrerer Opern, kenntnisreicher Musikschriftsteller und gegenwärtig Leiter der Musikabteilung des Norddeutschen Rundfunks, hat 1937 das bekannte Hölderlin-Fragment „Schöpferischer, o wann, Genius unseres Volkes“ für fünfstimmigen gemischten Chor und Orchestet vertont. Er tat es mit Phantasie, Sinn für dramatische Wirkung und Effekt. Dem interessanten, nie ins Banale abgleitenden Zwölftonwerk, in welchem lediglich eine allzu breite Passage des Klaviers stört, wünscht man freilich etwas mehr von der stilisierten Einfachheit des Hölderlin-Textes, wie sie sich etwa in der Musik von Joseph Matthias Hauer spiegelt.

Obwohl die Akten über den künstlerischen und sakralen Wert sowie die Eigenart von Verdis „M e s sa da Requiem“ geschlossen sind, ist man immer wieder versucht, sie aufzuschlagen. Bei der letzten Aufführung im Großen Konzerthaussaal unter Argeo Q u a d r i kam man nicht auf diesen Gedanken. Das war vor allem dem Dirigenten zu danken, der Verdis Musik mit einer solchen Selbstverständlichkeit und Natürlichkeit darbot, daß alle stilistischen und sonstigen Bedenken gegenüber diesem opern-haften Sakralwerk verstummten. Die Aufführung durch die Singakademie und die Symphoniker war nicht nur technisch ausgezeichnet, sondern vor allem organisch, gewissermaßen „rund“. Das Solistenquartett (Pilar Loremgar, Marga-rita Lilowa, Giuseppe Zampieri, Eduard Haken) führte der zauberhafte, auch in der Höhe weichklingende, beseelte Sopran der jungen, blonden Spanierin, die gegenwärtig an der Deutschen Oper Berlin tätig ist. (Im Programmheft begründet R. K., weshalb Verdi für sein Werk den Titel „Messa“ wählte. Trotzdem liest man auf dem Titelblatt des gleichen Programmheftes „Missa da Requiem“.)

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