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Eröffnung mit Bruno Walter und Klemperer

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Von freundlichem Wetter begünstigt, wurden am vergangenen Samstagabend vor dem Wiener Rathaus, nach ebenso freundlichen Reden des Bürgermeisters und des Vizebürgermeisters sowie des Unterrichtsministers, die das gemeinsame Anliegen hervorhoben, die Wiener Festwochen durch den Herrn Bundespräsidenten eröffnet: „Nicht nur in den Konzertsälen, sondern auch in alten Prunkbauten und- in den schönen Kirchen Wiens wird in diesen Wochen Musik erklingen, zur Freude aller.“ Die Symphoniker unter Heinrich H o 11 r e i s e r spielten die (in diesem Rahmen und zu diesem Anlaß wenig passende) „Akademische Festouvertüre“ von Brahms und dann die (im Hinblick auf die vor zehn Jahren in der noch viergeteilten Stadt begonnenen Festwochen um so passendere) „Leonoren-Ouver-türe“ Nr. 3 von Beethoven. Und zum Schluß tanzte, wie alljährlich, sooft der Wettergott mitspielt, das Staatsppernballett vor dem festlich beleuchteten Rathaus und dem würdevoll herübergrüßenden Burgtheater den „Blauen-Donau“-Walzer. Und dann wurde weitermusiziert: vor dem Rathaus von einer Feuerwehrkapelle, auf dem Schwarzenbergplatz von dem Musikkorps des Gardebataillons Wien, im Inneren Burghof von der Chorvereinigung Jung-Wien, im Heiligenkreuzer Hof von den Sängerknaben ...

Das festliche Eröffnungskonzert „Zur Feier des 100. Geburtstages von Gustav Mahler“ fand am Sonntag vormittag im Großen Mu-s ik v e r e i n s s a a 1 statt. Es begann mit einer Ehrung Bruno Walters, dem der Ehrenring der Gesellschaft der Musikfreunde, der Dr.-Karl-Renner-Preis sowie der kulturelle Ehrenpreis der Stadt München überreicht wurde. Präsident Dr. Hryntschak und Bürgermeister Jonas dankten Bruno Walter für alles, was er im Laufe seines Lebens für die Musikstadt Wien und das Ansehen ihrer Musik im Ausland getan hat, der junge Oberbürgermeister von München erinnerte an Bruno Walters Münchner Jahre und verlas den Text der Ehrenurkunde, in der auch des Dichterfreundes Thomas Mann gedacht wird (dessen Tochter und Witwe sich im Saal befanden).

Seinen Dank für “alle diese Auszeichnungen und den überaus herzlichen Empfang durch das Publikum, welches dem ehrwürdigen Gast minutenlang stehend applaudierte, wolle er — so sagte Bruno Walter in einer kurzen Ansprache — nicht mit Worten, sondern in Tönen abstatten. Er tat- es mit efwr un%feichliche4i.:erpVatirv von f&elhlto her ts- „U nvoHeh die ter und mit -Werken Gustav M a h'lje.r s, in.idwsattjsZeigheW'fidifestjte?? FestwOichenkortziert stand. Kleinste und sparsamste Gesten genügten für den, in dessen Geist und in dessen Herz diese Musik wohnt, um sich mit einem Ensemble zu verständigen, das gleichfalls jede Note dieser Partitur kennt und „versteht“. (Wollte man ein besonderes Kennzeichen von Walters gegenwärtiger Auffassung der „Unvollendeten“ anführen, so wäre auf das Tempo des Andante con moto hinzuweisen, welches so - ruhig genommen wurde, daß sich gegenüber dem „normalen“ Tempo ein Plus von mehr als zwei Minuten ergab.)

Zur intimen Zwiesprache mit dem Genius seines Meisters und Freundes Gustav M a h 1 e r wurden die drei Lieder „Wo die schönen Trompeten blasen“, „Ich atme einen linden Duft“ und „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, von Elisabeth Schwarzkopf mit ebenso intelligentem wie beseeltem Ausdruck vorgetragen. — Sie sang auch das Sopransolo im letzten Satz von M a h 1 e r s IV. Symphonie, die das Haupt- und Schlußstück dieses in jeder Hinsicht großen und denkwürdigen Konzerts war. — Bruno Walter als Mahler-Interpret ... Darüber könnte man eine ganze Abhandlung, ein Büchlein schreiben, und man wünscht sich nur, daß möglichst viele junge, angehende Dirigenten noch, die Möglichkeit haben mögen, das zu erleben — um sich daran zu orientieren. — Das Orchester der Wiener Philharmoniker war in vollkommener Harmonie mit dem Dirigenten und mit den vorgetragenen Werken. So ließ auch die Wiedergabe nicht den kleinsten Wunsch offen.

Am Abend des gleichen Tages gab Otto Klemperer das 1. Konzert seines Beethoven-Zyklus mit dem Philharmonia O r-chestra of London. Und „Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!“ Ist es bei Bruno Walter die Ruhe und humanistische Abgeklärtheit des Alters, so wirkt Klemperer — geh- und sehbehindert am Pult sitzend — mit unverminderter Dämonie auf Ausführende und Zuhörer. Bewundert man bei Walters Interpretation die so seltene Synthese von Differenziertheit und einheitlicher organischer Grundstimmung, so fasziniert Klemperer durch die Gewalt seiner Fäuste, die dem Orchester herrisch die Töne zu entreißen scheinen. Beethovens Musik erklingt unter seiner Leitung männlich, wuchtig und monumental. (Auf dem Programm des 1. Konzerts standen die Symphonien II und 111 sowie die Ouvertüre C-dur „Die Weihe des Hauses“.) Das englische Orchester erwies sich als ein hochvirtuoses Ensemble mit sehr substantiellem, kräftigem Streicherklang, fast unfehlbaren, im Ton für uns ungewohnten Bläsern und präzisen Paukisten. Eine gewisse Gleichförmigkeit im Dynamischen (mf —ff) entsprach durchaus den Vorstellungen des Dirigenten, der keine allzu großen Differenzierungen zu wünschen schien.

'Mit diesen beiden Konzerten haben die Wiener Festwochen wirklich glanzvoll begonnen, und es “geziemt unser Dank auch den bei ihrer Organisation wirkenden Männern: dem Generalsekretär der Gesellschaft der Musikfreunde und dem neuen Intendanten der Wiener Festwochen.

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