6673861-1961_12_15.jpg
Digital In Arbeit

Zwei große alte Männer

Werbung
Werbung
Werbung

Das Wiedersehen mit Backhaus— zunächst als Interpret von Beethoven- Sonaten, sodann als Solist des c-moll- Klavierkonzerts —, beide Male im Großen Musikvereinssaal, hat begeisterte Kundgebungen ausgelöst. — Dieser Künstler versteht e6, die Improvisation Beethovens in das bei ihm waltende Gesetz einzufügen. So waren die Beethoven-Sonaten— vor allem die in der Klarheit großartig wirkende Appassionata und das Opus 110 — Kundgebungen einer ungebrochenen Künstlerpersönlichkeit.

Wie sich dieses Persönliche aber vollendet in die Gemeinschaft ziu fügen weiß, das erlebten wir beim Nicolai-Konzert der Wiener Philharmoniker. Das in hervorragender Form befindliche Orchester (unübertrefflich diesmal die Leistung aller Bläsergruppen), von Carl Schuricht — dem anderen großen Mann dieses Konzerts — mit einfacher Gestik, ganz auf das Wesentliche konzentriert, geleitet, war mehr als ein Rahmen für Backhaus, Ehrenmitglied der Philharmoniker, der an diesem Vormittag den Ehrenring des Orchesters erhielt. — Gerade der Ideengehalt des Werkes ist durch das Mit- und Aufgehen der Persönlichkeit in der Gesamtheit, die von anderen Persönlichkeiten gebildet wird, aufs schönste erhellt worden. Das OrchesteT hat an die Spitze des Nicolai-Konzerts die „Coriolen-Ouver- türe” gestellt: packend in den Auftakten, zwingend in der dramatischen, konsequenten Entwicklung, rührend in der von den Streichern vorgetragenen Mahnung der Heimatliebe im zweiten bewegenden Gedanken der Ouvertüre. Die 8. Symphonie war von der Sonne, die uns eben an diesem Vormittag draußen in der Natur launisch verlassen hatte, durchleuchtet.

Das „Symphonische Konzert für großes Orchester”, dessen Uraufführung an der Spitze des Programms mit Werken von Raimund Weissen- steiner im Großen Konzerthaussaal stand, hat den Zuschnitt einer Symphonie. Charakteristisch für das Werk, das wie eine Auseinandersetzung mit offenen und versteckten Widrigkeiten des Lebens anmutet — sind die Sechzehntel im Dialog der Streicher und Flöten im ersten Satz, ist die wandlungsfähige Kraft im dritten Satz („Fantasia sinfonica con fuga”), hohe Kunst des Kontrapunkts, und ist das Herzstück des Werkes, das von geheimnisvollen Stimmen durchwobene Adagio. Der Komponist, der an der Spitze der ausgezeichnet spielenden Wiener Symphoniker stand, war auch als Dirigent dei richtige Mittler. Es gab viel Beifall. H. S.

Das „Praktikum für zeitgenössische Musik veranstaltete im Vortragssaal der Akademie ein Konzert zum 75. Geburtstag von Egon We11esz und zum 60. von Ernst K r e n e k. Unter der Leitung von Friedrich Cerha wurden die Brasilianische Sinfo- fe Seit und

Kammermusik und Lieder von den beiden Jubi- laren. — Krenek, Dirigent und Vortragender, ist während der letzten Monate in fast allen Musikzentren Westeuropas gefeiert worden und war wiederholt sein eigener Interpret. Egon We11esz, der in Oxford wirkende Gelehrte, sitzt weiter vom Schluß und wurde, leider, in Wien anläßlich seines Geburtstages von keiner der großen Musikgesellschaften durch Aufführung eines Werkes geehrt. Deshalb sei in diesem Rahmen auf ein besonders reizvolles, feines und poetisches Werk hingewiesen, die Kammerkantate „The leaden and the golden Echo” auf einen Text von G. M. Hopkins (für Sopran, Violine, Klarinette, Violoncello und Klavier), eine verhalten beginnende Musik, die am Schluß in Straußschen Woihlklang mündet. Wichtig scheint uns auch der Hinweis auf die Interpretin der schwierigen Gesangspartie, auf die aus dem Salzburgischen stammende junge Sopranistin Irmgard Stadler: eine kräftige Stimme mit schönem Timbre, ebenso intelligent in der Bewältigung heikler Intonationen wie in der Aussprache des esoterischen Hopkins-Englisch. — Klarinettenstücke von Wellesz interpretierten Charles Boone und Wolfgang Pötzlberger, von denen sich der erste als der Virtuoser er wies.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung