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Mit Musik ins neue Jahr

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Das traditionelle Neujahrskonzert der Philharmoniker mögen wohl einige Hunderttausend miterlebt haben, da sowohl die „Voraufführung“ am Silvesterabend als auch die Hauptaufführung am Vormittag des 1. Jänner durch den Oesterreichischen Rundfunk übertragen wurden. Man spielte Walzer, Polkas, einen Csardas, einen Marsch und eine Ouvertüre — von Johann und Josef Strauß. Willi Boskovsky als Konzertmeister dirigierte in Strauß-Manier: bald mit-

Die Wagner-Tuba Aus Gerard Hoffnung! „Symphonieorchester“ geigend, bald nur den Takt markierend. — Eduard Hanslick, der soviel Verkehrtes und Verqueres geschrieben hat, fand für die Kunst der Strauß-Familie die treffenden Worte: „Die Donauwalzer haben nicht bloß eine beispiellose Popularität, sie haben eine ganz merkwürdige Bedeutung erlangt: die Bedeutung eines Zitats, eines Schlagwortes für alles, was es Schönes, Liebes, Lustiges in Wien gibt. Wo immer in weiter Ferne Wiener sich zusammenfinden, da ist diese wortlose Friedensmarseillaise ihr Bundeslied und Erkennungszeichen.“

Zum Jahresausklang gab's in der Staatsoper eine festliche Aufführung der „Meistersinger“ unter der Leitung von Heinrich Ho 11 r ei s er, erstklassig-festlich vor allem in der Besetzung der Hauptrollen. Paul Schöffler erscheint uns immer noch unübertroffen in der Gestaltung des Hans Sachs, Hans H o 11 e r ist wohl der stattlichste Veit Pogner, den man sich, wünschen kann, und Karl D ö n c h brillierte und amüsierte in seiner Paraderolle als Beckmesser. Neu war für uns Sebastian Feiersinger als Stolzing: ein echter Tenor mit strahlender Höhe, jugendlich-kraftvoller Stimme und guter Schule, im Optischen nicht ganz so glänzend, aber man kann eben nicht alles zusammen haben, wir sind, was Tenöre betrifft, bescheiden geworden. — Auch die unbescheidensten Ansprüche konnte Elisabeth Schwarzkopf erfüllen: mehr junge Dame zwar (im Stil der Arabella etwa) als Meistersingertochter, mehr differenziert als naiv, aber blendend in der Erscheinung und makellos singend. Ebenso vollkommen war die Leistung von Ira M a 1 a n i u k, die mit vorbildlicher Bescheidenheit die Magdalena agierte und sang, ganz im Schatten ihrer Schutzbefohlenen. - Weniger festlich und erfreulich war, was aus dem Orchesterraum kam. Obwohl Heinrich Hollreiser sich alle Mühe zu machen schien, gab es spannungslose Minuten und gewisse Derbheiten, die man an diesem Ort nicht gewöhnt ist.

Der Orchesterverein der Gesellschaft der Musikfreunde beging sein lOOjähriges Jubiläum mit einem Festkonzert, dessen musikalische Leitung dem blutjungen Dirigenten Dietfried Bernet anvertraut war, der damit seine Feuertaufe im Musikvereinssaal bestand. Und Ritter Bernet hielt sich tapfer, führte seine Getreuen sicher, mit Schwung und Präzision durch die Zauberflötenouvertüre und die Haydn-Symphonie D-dur, Nr. 101 („Die Uhr“), die freilich etwas zu schnell ging. Was schadet's? Sie (oder er) schlug richtig und sauber und machte den Zuhörern Freude. Vor den Festreden | sang der S i n g v e r e in der Gesellschaft untefiRetn-.: hold Schmid die Bach-Kantate „Nun ist das Heil und die Kraft“ mit nicht der gleichen inneren und äußeren Konzentration.

Im Weihnachtekonzert der Musikalischen Jugend boten das Barockensemble und der Oesterreichische Kammerchor Musik jenseits der Diskussionen in Werken von Corelli, Buxtehude, Scheidt und Schütz. Insbesondere die beiden letztgenannten Meister wuchsen zum Erlebnis barocker Großräumigkeit mit bescheidenen Mitteln. Es kann nicht hoch genug angeschlagen werden, wenn unserer Jugend mit dem musikalischen auch der geistige Ernst dieser Festzeit ohne Verlieblichung und Verflachung zusagt, von ihr verstanden und gepflegt wird. Der Leiter dieses äußerlich ruhigen, aber innerlich sehr bewegten Konzertes war Gerhard Kramer.

Die Folge von drei Beethoven-Streichquartetten (G-dur, op. 18/2; f-moll, op. 95; op. 127. Es-dur) bedeutet eine gigantische innerliche Spannung und Steigerung in Form und Aussage. Die Wiedergabe durch das Musikvereinsquartett stand voll bewußt im Zeichen dieser sich immer steigernden Verinnerlichung, die Bekanntes immer neu und tiefer und subtiler erleben läßt, aus vier Spielern ein Quartett und aus dem (allerdings erlesenen) Publikum eine Seele macht.

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